Berlin Bald Gerichtsentscheid über Welfenschatz?

Berlin · Die Entscheidung der Limbach-Kommission, dass der Welfenschatz keine NS-Raubkunst sei, wird mit Sicherheit nicht das letzte Wort sein. Schon jetzt regt sich Widerspruch, und mancher Betroffene wird wohl vor Gericht ziehen.

Bedeutende Teile des Welfenschatzes zählen zu den Hauptattraktionen der Berliner Museumsinsel – im Bode-Museum. Möglicherweise weit unter Wert verkauften jüdische Kunsthändler 1935 die goldenen Reliquien an den Staat Preußen. Handelten sie dabei frei oder übten die Nationalsozialisten Druck aus? Darüber befand jetzt ein hochrangiges Gremium, die sogenannte Limbach-Kommission. In zahlreichen Auseinandersetzungen um wirkliche oder vermeintliche Raubkunst hatte das Gremium zugunsten der Erben früherer privater Besitzer entschieden; jetzt ergriff es überraschend Partei für den Staat, in diesem Fall die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Doch es regt sich Widerspruch.

Der Widerspruch könnte das Urteil eines Tages ins Gegenteil verkehren und dann auch rechtswirksam werden. Denn die Entscheidungen der Kommission um Jutta Limbach, die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, hat lediglich den Charakter einer Empfehlung. Wer damit nicht einverstanden ist, dem ist es unbenommen zu klagen.

Der Weg vor Gericht zeichnet sich bereits ab. Unmittelbar nach der Entscheidung der Limbach-Kommission kündigten die Erben des jüdischen Juweliers Hermann Netter, eines früheren Miteigentümers des Schatzes, mit Nachdruck an, dass sie ihr Restitutionsbegehren gegenüber der Preußen-Stiftung weiter verfolgen. Ihre Dresdner Rechtsanwältin Sabine Rudolph sagte, es sei unglaublich, dass das Gremium eine Empfehlung zum Verbleib des Schatzes in Berlin abgegeben habe, ohne dass Netters Erben an dem Verfahren beteiligt waren: "Für unsere Mandanten werden wir die Entscheidung so nicht anerkennen."

Der Juwelier Netter war ihren Angaben zufolge über ein Konsortium mit 25 Prozent am Welfenschatz beteiligt, als die Kostbarkeiten an den preußischen Staat verkauft wurden. Die Limbach-Kommission hatte befunden, der damalige Verkauf durch vier Kunsthändler sei nicht unter NS-Druck vonstatten gegangen. Sie könne daher eine Rückgabe an die jüdischen Erben nicht empfehlen.

Offenbar waren aber mehr als vier Kunsthändler beteiligt, darunter Hermann Netter. Akten darüber tauchten erst auf, als die Kommission ihre Arbeit schon fast beendet hatte. Dennoch hat das Gremium sich gegen die Ansprüche aller ausgesprochen, gegen "die Erben der vier Kunsthändler und etwaige weitere frühere Miteigentümer". Da merkt die "Frankfurter Allgemeine" zu Recht an: "Die Limbach-Kommission besitzt demnach auch Gewissheit über Fälle, die bisher gar nicht geprüft wurden. Woher? Für die Erben nach Hermann Netter, die Gäste des Verfahrens, muss das eine überraschende, schallende Ohrfeige gewesen sein."

Wie gelangte der Welfenschatz überhaupt in die Hände der jüdischen Kunsthändler, deren Erben heute auf Herausgabe bestehen? Da das Adelsgeschlecht der Welfen seinen Schatz veräußern wollte, um seine Schlösser unterhalten und Pensionslasten tragen zu können, erwarb ein Konsortium aus jüdischen Kunsthändlern den aus 82 Einzelstücken bestehenden Reliquienschatz am 6. Oktober 1929 für 7,5 Millionen Reichsmark. Davon verkauften die Händler Werke für rund 1,5 Millionen Reichsmark in die USA. Die Kunsthändler, die ab 1933 der rassischen Verfolgung des Hitler-Regimes ausgesetzt waren, verhandelten ab 1934 mit verschiedenen preußischen Ministerien über einen Erwerb der Restsammlung. Deren Wert wurde auf sechs bis sieben Millionen Reichsmark beziffert. Der Staat Preußen erwarb die Stücke für angeblich 4,25 Millionen Reichsmark für die Staatlichen Museen Berlin. Daraus leitet sich ein Restitutionsanspruch der Erben des Händlers Max Hackenbroch her. 1957 wechselte der Schatz ins Eigentum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Heute geht es um die Frage, ob 4,25 Millionen Reichsmark ein fairer Preis waren.

(RP)
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