Köln DancingQueen

Köln · Das Béjart-Ballett aus Lausanne gastiert mit einer Hommage an Freddy Mercury in der Kölner Philharmonie.

Vielleicht muss ein Stück, das vom Sterben junger Menschen erzählt, so heiter sein wie das "Ballet for Life" von Maurice Béjart: Von einem Friedhof aus weißen Laken erheben sich Tänzer in eleganten Turner-Trikots. Es ist eine Geburt aus Tüchern, ein lichtes Hineinräkeln in die Welt, und dann singt Freddy Mercury "Let me live", dieses rebellische Liebeslied über einen, der sich von einer falschen Liebe befreit, der den Neuanfang will, - trotzig, leidenschaftlich, voller Lust auf das Leben, voller Schmerz über die Endlichkeit. Und die Tänzer wippen, hüpfen und drehen sich dazu. Sie lassen den Beat in ihre Körper fahren, sind voller federnder Spannkraft - junge, schöne Menschen in der besten Phase ihres Lebens.

1996 hat Maurice Béjart (1927 - 2007) seine Liebe zur Musik von Queen in ein Ballett verwandelt. Der große Erneuerer des neoklassizistischen Balletts war damals 69 Jahre alt, er hatte seinen Startänzer Jorge Donn an Aids verloren, und so war es für den Altmeister aus Lausanne wohl an der Zeit, sich mit dem Werk früh gestorbener Genies zu beschäftigen. Und weil Béjart keine Angst vor dem Crossover hatte, vor krassen Kontrasten und dem Kräftemessen von Klassik und Pop, vereinte er für sein "Ballet for Life" Mozart und die stilistische Vielfalt von Queen und ließ Gianni Versace die Kostüme schneidern.

Sein Ballett ist ein Stück über junge Menschen geworden, die noch nicht von Zynismus angefressen sind, die lieben, leiden, berühmt sein wollen, gefeiert wie ein Pop-Star, die aufbegehren und ihren Spaß haben, Punk sind und Pop. Und es ist ein Stück über den Tod. Freddie Mercury war 45, als er an Aids starb. Bis zuletzt hatte er im Studio gearbeitet, die Musik hatte ihm die letzte Kraft gegeben. Genauso alt wurde Béjarts Solo-Tänzer. Und so lässt der Franzose in seiner Choreografie weiße Krankenliegen auffahren, schwarze Witwen und weiße Bräute wettstreiten und einen Todesengel in weiten Sprüngen über die Bühne fliegen. Doch vielleicht ist es auch ein Schmetterling, seine Flügel sind zart wie die eines Insekts und seine Bewegungen betörend. Der Tod ist an diesem Abend nur Metamorphose, ein vorläufiges Ende, das dem Leben schmerzliche Tiefe gibt.

So hat das "Ballet for Life", mit dem die Béjart-Compagnie aus Lausanne derzeit in der Kölner Philharmonie gastiert, nichts Schweres, Düsteres, Erschöpftes. Die Choreografie feiert den Optimismus und die Lebenslust der Jugend, sie hat Spaß an der Bewegung, an der theatralen Musik von Queen und der heiteren Abgründigkeit Mozarts. Doch ab und an tauchen die Todesbooten auf, tanzen mit, sind Teil des Lebens.

Béjarts Choreografie ist effektvoll, manchmal plakativ, vor allem aber sprüht sie vor Leben und findet Bilder für die so unterschiedlichen Stimmungslagen von Queen-Songs. Da gibt es dann zu "Seaside-Rendezvous" den heiteren Ausflug ans Meer und ein Turtelpaar taucht auf. Sie trägt eine dieser wunderbaren Versace-Roben, naiv bunt und geometrisch gemustert, er einen schwarzen Frack mit auffälligem Futter und dann tanzen sie neckisch schüchtern und werfen sich verliebte Blicke zu. Zu "Radio GaGa" feiert das Ensemble froh den Elektropop-Sound der 80er. Dazu tanzen die Männer des Ensembles in einem nach vorn geöffneten Kubus auf engstem Raum, sie sind der lebendige Inhalt eines Radios, das zur Zeit der Piratensender den Rock 'n' Roll in die Jugendzimmer funkte und der Rebellion den Soundtrack gab.

Am Ende tragen die Tänzer wieder die weißen Leinenstoffe auf die Bühne; die Bewegung wird wieder zur Ruhe kommen unter dem hellen Tuch. Dieser Friedhof ist kein Trauerfeld, er ist nur eine Ruhestätte, auf der sich jederzeit wieder Leben regen, ein neuer Tanz beginnen kann, Denn "The Show must go on" - der Song war die letzte Single-Veröffentlichung von Queen vor Freddie Mercurys Tod am 24. November 1991. "Auch wenn mein Make-up langsam blättert, Mein Lächeln werde ich behalten", singt er darin. Es ist die Ballade eines Kämpfers, eines Künstlers, der früh schweigen musste. Und vielen Menschen doch so viel gesagt hat.

(RP)
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