Locarno Konventionelle Leinwand-Kost in Locarno

Locarno · Das 66. Internationale Filmfestival Locarno ehrt Helden des Kinos – Bisset, Lee, Karina und Dunaway.

Stars und Sternschnuppen, beides erstaunliche Naturereignisse, häufen sich zur Festivalmitte in Locarno. Das 66. Internationale Filmfestival Locarno (noch bis 17. August) erlebt Höhepunkte auf der Piazza Grande und erkundete gestern mit dem deutschen Film "Feuchtgebiete" im Wettbewerb das Spektrum menschlicher Ausscheidungen. Autorin Charlotte Roche zeigte sich begeistert, dem Piazza-Publikum ist das schnuppe. Es erfreut sich an konventionellerer Kost.

Locarnos Ehren-Gäste, die sich alle ein Stückchen Gold abholen, sind älteren Jahrgangs: Christopher Lee bereits im Ü90-Club, die Nouvelle-Vague-Ikone Anna Karina wird bald 73, Jacqueline Bisset ist noch gerade keine 70 und Faye Dunaway knapp darüber. Carlo Chatrian, der neue Festivaldirektor, setzt den bewährten Spagat fort: Unterhaltung und relativ beliebige Stars für das große Publikum auf der Piazza. Dagegen anspruchsvolleres, jüngeres und forderndes Programm in Wettbewerb und Nebensektionen.

Ob der Piazza-Film "Les Grandes Ondes (à l'Ouest)" von Lionel Baier genau am gestrigen Sonntag gezeigt wurde, weil auch in ihm ein paar Meteorite am Himmel leuchten, konnte noch nicht geklärt werden. Auf jeden Fall ließ er nichts zu wünschen übrig: Wie im April 1974 zwei Journalisten des Schweizer Radios nach Portugal reisen, um lächerliche Schweizer Hilfsprojekte zu suchen und mitten in der Nelkenrevolution landen, ist eine Komödie mit Herz für Ausbrüche und Aufstände. Am Ende fragt man sich, wieso es heute so wenig Proteste gibt, "gegen die Regierungen, die für die ökonomische Krise verantwortlich sind". Eine Teilerklärung liefert der deutsche Beitrag "Master of the Universe" von Regisseur Marc Bauder, in welcher der ehemalige Banker Rainer Voss detailreich vom Wahnsinn der Börsenspekulationen erzählt. Eine sehr informative und spannende Tour durch das Innere des Finanzwesens.

Bereits am Samstag hielt der Thriller "Erbarmen" ("Keeper of lost causes"), die Verfilmung des gleichnamigen ersten Romans von Jussi Adler-Olsens Bestseller-Reihe, das Piazza-Publikum bei seiner Weltpremiere in Atem. Wenn der zerrüttete Kommissar Carl Mørck mit seinem Assistenten Assad in der dänischen Sonderabteilung Q bislang ungelöste Fälle wieder aufnimmt, bringt das den "Borgen"-Regisseur Mikkel Nørgaard, den Drehbuchautor von "Verblendung" sowie "Die Königin und der Leibarzt" Nikolaj Arcel und den "Illuminati"-Darsteller Nikolaj Lie Kaas zusammen. Das Ergebnis ist erstklassig und läuft am 17. Oktober in Deutschland.

(RP)
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