Afghanistan-Debatte Meisner spricht Krieg und Frieden

Köln (RP). Die Afghanistan-Debatte hält an: Der internationale Soldatengottesdienst gestern im Kölner Dom wurde begleitet von Protesten der Friedensaktivisten. Kardinal Meisner predigte, Stephanie zu Guttenberg vertrat ihren Mann.

 Die Bischofskonferenz würdigte Kardinal Meisner an seinem 75. Geburtstag

Die Bischofskonferenz würdigte Kardinal Meisner an seinem 75. Geburtstag

Foto: ddp, ddp

Von weitem schon sind die Trommeln zu hören. Sie klingen nach Militär. Aber es sind die Trommeln der anderen: der Friedensgruppen, die sich gestern auf der eiskalten Domplatte wie zu einer kleinen Wagenburg formiert haben. Eigentlich ist es wie jedes Jahr, wenn zum Weltfriedenstag Soldaten aus vielen Ländern im Hohen Dom zu Köln Gottesdienst feiern. Selbst die Transparente sehen irgendwie schon gebraucht aus.

Diesmal aber ist es anders, weil diesmal die Friedensaktivisten in ihrem Pazifismus bestärkt wurden von der evangelischen Ratspräsidentin, der Bischöfin Margot Käßmann. "Nichts ist gut in Afghanistan", hat sie jüngst gesagt und zivile Mittel für die Beendigung des Konflikts gefordert. "Ich bewundere sie sehr", sagt Elvira Hägemann, die das Protestschild des Kölner Friedensforums gegen frostigen Wind verteidigt. Auch darum empfindet die 69-Jährige das, was jetzt — und bereits seit 1977 — im Dom gefeiert wird, als "Skandal". Die lauten Trillerpfeifen künden Neues an: Der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, hält Einzug.

Im Kirchenschiff stehen und sitzen sie dicht gedrängt, in grauen Mänteln des Heeres, den dunkelblauen der Luftwaffe. 1500 Soldaten, unter ihnen auch Briten und Belgier, Niederländer und Amerikaner, Kanadier und Italiener. Gemeinsam wollen sie die Eucharistie feiern, gemeinsam wollen sie hören, dass ihr Dienst auch mit ihrem Glauben vereinbar sei. Sie wünschen sich Zuspruch und Akzeptanz — als Christen in Uniform.

Dazu bedarf es auch der Symbole. Die mächtige Kölner Kathedrale ist hierfür ein guter Ort und der Weltfriedenstag ein gutes Datum. Nur der Verteidigungsminister konnte nicht an den Rhein kommen; Stephanie zu Guttenberg sitzt für ihn in der ersten Bank. Atmosphärisch ist das wichtiger als die Anwesenheit vieler Generäle.

"Nichts ist gut in Afghanistan" — für diesen rhetorisch so gewichtigen Käßmann-Satz wünschen die Soldaten eine Auslegung, mit der sie ihren Dienst guten Gewissens leisten können. Natürlich liefert Meisner keine Replik dazu, aber er spricht von "schwierigsten Entscheidungen" — wenn "wir für Frieden und Gerechtigkeit bisweilen zu militärischen Mitteln greifen müssen"; weil wir nach seinen Worten nicht tatenlos zuschauen dürfen, "wo Unrecht geschieht, wo Menschen bedroht und ihrer Existenzgrundlage beraubt werden". Und doch muss Krieg stets vermieden werden; er darf nicht einmal als Ausweg gelten. "Denn wenn es bewaffnete Auseinandersetzungen gibt, hat die Menschheit schon verloren", predigt Meisner.

Aus diesem ethischen Dilemma scheint es kein Entrinnen zu geben; es gibt keine richtigen Antworten. Und wenn wir nach ihnen suchen, nach dem vermeintlichen Allheilmittel, so spüren wir nach den Worten des Erzbischofs schmerzlich immer wieder aufs Neue, dass wir aus dem Paradies vertrieben sind, der heilen Welt. Auch darum kommt er auf Schöpfung und Umwelt zu sprechen, auf unsere Verantwortung für die Lebensräume. Ökologische Probleme, so Meisner, sind auch theologische Probleme.

Die Vertreibung aus dem Paradies zwingt in der Gewaltfrage dazu, stets zu prüfen, ob es nicht andere Mittel als den Einsatz von Waffen gibt. Etwas später, beim offiziellen Empfang mit Inhabern höherer Dienstgrade, wird der Erzbischof die Bundeswehr eine Kriegsvermeidungsarmee nennen.

So still es im Dom zur Predigt ist, so laut ist es vor den Pforten. Die Friedensaktivisten kennen die Gottesdienstordnung haargenau, beginnen mit ihrem Trommelwerk pünktlich zur Predigt und enden, als Meisner die Kanzel verlässt. "Das ist die Opposition", zischelt ein Domschweizer. Und es klingt schon recht giftig. Versöhnlichere Worte wird am Schluss der Messe Monsignore Rainer Schnettker finden, Militärdekan in Mainz. Er lädt die Soldaten ein zu einem Gespräch mit denen, "die auf der anderen Seite der Friedensbewegung stehen". Draußen wird indes "Blut an euren Händen" gerufen und "Raus aus Afghanistan". Die Soldaten ziehen vorbei zum Römisch-Germanischen Museum — zur "warmen Stärkung". Die Friedensaktivisten folgen, denn die heiße Suppe wird gemeinsam gelöffelt. Und auch das ist in Köln schon Tradition.

(RP)
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