Warum Mario Barth-Comedy frauenfeindlich ist Neue deutsche Mädchen

Düsseldorf (RP). Eine Riege von Autorinnen um die 30 hat Krach mit Alice Schwarzer. Es geht darum, wie Frauenbefreiung heute aussehen soll. Sie wollen den Feminismus entstauben und an die eigene Lebenswirklichkeit anpassen. Doch die Akteure vergessen dabei eines: die Politik.

 Sie schrieben das Buch "Wir Alphamädchen": Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl (v.l.).

Sie schrieben das Buch "Wir Alphamädchen": Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl (v.l.).

Foto: hoffmann und campe

Es gibt Streit, um den Feminismus. Der Begriff ist ein bisschen angestaubt, deshalb wollen ihn einige Frauen um die 30 neu definieren, an ihre Zeit anpassen, an die Lebenswirklichkeit 2008. Wer Klarheit über seinen Standpunkt bekommen möchte, der sagt erst mal, wo er nicht steht. Die neuen Feministinnen machen das so. Sie grenzen sich gegen Alice Schwarzer ab, denn die habe zwar durchaus einiges erreicht, personifiziere aber den alten Feminismus, den ideologischen, männerfeindlichen. "Alice Schwarzer ist Historie."

Die neuen Feministinnen, das sind zum Beispiel Jana Hensel und Elisabeth Raether. Sie haben das Buch "Neue deutsche Mädchen" geschrieben, eine Sammlung von biografischen Essays: So habe ich entdeckt, dass Frauen und Männer nicht gleich behandelt werden. Hensel und Raether hatten die an sich schöne Idee, zu beschreiben, wie junge Frauen heute leben. Sie möchten Feminismus sexy verpacken.

Cooles Outfit

Sie ließen Paul Snowden das Buch gestalten. Snowden entwirft Plattencover und die T-Shirts mit der Aufschrift "Wasted German Youth", die man in Berliner Clubs oft sieht. Womit wir beim Manko des Buches sind: Die Autorinnen sind allzu sehr auf sich bezogen und auf ihren Wohnort: Berlin. Das Buch müsste "Berliner Mädchen" heißen. Es grenzt aus: Wir hier, ihr da. Die Geschichten zweier Medien-Frauen zwischen Promi-Termin und Party gehen als Hauptstadt-Fanzine durch.

Alice Schwarzer hat zu verstehen gegeben, was sie von den Autorinnen hält: "Wellness-Feminismus" sei das, sagte sie in ihrer Rede zur Entgegennahme des Börne-Preises vergangenen Sonntag. Sie meinte damit auch Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl. Die drei Frauen veröffentlichten das Buch "Wir Alphamädchen". Es unternimmt ebenfalls den Versuch, Feminismus zu beleben, ihm die Schwere zu nehmen, ihn unterhaltsam zu machen.

Lebenswelten

Haaf und Co. gehen anders vor als Hensel und Raether. Sie meinen "wir und ihr", wenn sie "wir" sagen. Sie geben sich kämpferisch. Aber: Sie benutzen zu viele Imperative. Die "Alphamädchen" lesen sich wie eine feministische Dienstanweisung: Jetzt handelt mal schön. "Kaltherzigkeit" wirft ihnen Schwarzer vor, "Gesichtslosigkeit"; die Autorinnen schießen mit Aufsätzen in verschiedenen Medien zurück.

Die Lage scheint also verfahren zu sein. Dass Schwarzer die Lebenswelt junger Frauen nicht mehr verstehen kann, ist wohl so, auch wenn man es ihr natürlich nicht zum Vorwurf machen darf. Und es ist auch so, dass die Streitschriften der neuen Feministinnen eher Rätsel aufgeben als zu einen, zu motivieren oder zu erhellen. Die Autoren sind entweder in ihrem Milieu gefangen oder sie verlieren sich in der wohlfeilen Formulierung. Immer ist ihr Hauptproblem aber dieses: Sie sind komplett unpolitisch.#

Sinkendes Interesse

Dabei gibt es Gründe dafür, dass das Interesse am Feminismus wieder erwacht ist: Frauen können noch immer nicht gleichberechtigt leben. Ihr Anteil im Top-Management ist 2007 von 7,5 auf 5,7 Prozent zurückgegangen. Nirgendwo in Europa ist der Lohnabstand zwischen Frauen und Männern größer als in Deutschland. Zwar nehmen zehn Prozent der Väter Elternzeit - aber eben nur zwei Monate.

Und dann sind da noch die weichen Faktoren: Werbung orientiert sich nach wie vor an der männlichen Sexualität. Comedy à la Mario Barth ist latent frauenfeindlich. Sendungen wie Heidi Klums Model-Show sind es, wenn man ehrlich ist, auch.

Feminismus ist der Kampf für die wirtschaftliche, politische, soziale und sexuelle Gleichstellung der Frau. So formulieren es auch die neuen Feministinnen. Demnach nutze die Frau der Gegenwart moderne Arbeitsformen; "mit den Möglichkeiten des Informationszeitalters vereinbart sie Berufs-, Sozial- und Privatleben". Und sie hat Spaß. Komisch ist, dass keine der genannten Autorinnen den Namen Ursula von der Leyen (CDU) nennt.

Veränderung der Normen

Die Familienministerin verkörpert all das, was neue und Alphamädchen fordern - den jeweiligen Lifestyle ausgenommen. Sie versucht, Frauen Familie und Karriere zu ermöglichen. Sie holt die Männer in die Verantwortung. Sie trickst, wie man zuletzt beim Streit um die "Herdprämie" sah: Die "soll" kommen, heißt es, sie muss aber nicht. Von der Leyens Ideal ist es, dass sich Vater und Mutter die Elternzeit teilen. Ihr Plan, die Ganztagsbetreuung einzuführen, bedeutet nichts anderes, als per Gesetz die biologische Benachteiligung der Frau auszugleichen.

Von der Leyen betreibt gender mainstreaming, ein Begriff, der einer konservativen Partei nicht leicht zu vermitteln sein wird. Gender mainstreaming ist ein Programm zur Erziehung von Mädchen und Jungen im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit. Seit anderthalb Jahren finanziert das Familienministerium die Aktion "Neue Wege für Jungs", eine Berufsberatung für Teenager. Dort werden auch klassische Frauenberufe empfohlen, in der Pflege etwa.

Der Feminismus strebt, so sagt es das Lexikon, eine Veränderung der Normen an. Alice Schwarzer ist Feministin. Die siebenfache Mutter Ursula von der Leyen verkörpert bereits den nächsten Schritt, die Emanzipation, die Befreiung aus dem Zustand der Abhängigkeit. Eigentlich müsste man hier ansetzen, "neue Emanzen" müssten sich zu Wort melden, den Kurs unterstützen, noch mehr fordern, Gleichheit jetzt. Aber das tun sie nicht. Vielleicht, weil sie sich als Mädchen betrachten. Vielleicht, weil von der Leyen eine Konservative ist und somit in bestimmten Milieus schwer vermittelbar. Vielleicht, weil Politik irgendwie keine Rolle mehr spielt. Ein Streit mit Alice Schwarzer jedenfalls bringt niemanden weiter, er sagt nichts aus, er nervt.

Es kann nicht schaden, wenn Frauen, die anders leben als ihre Mütter, Feminismus neu definieren. Aber sie müssen sich fragen lassen, warum ihre Berichte und ihre Forderungen der Wirklichkeit meilenweit hinterherhinken.

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