Istanbul Ein Meistererzähler, der an die Magie der Poesie glaubte

Istanbul · Der türkische Friedenspreisträger Yasar Kemal ist tot. Yasar Kemal war einer der bedeutendsten türkischen Autoren: ein Meistererzähler. Schreiben verstand er stets auch als einen Akt der Revolte. Er attackierte die Ausbeutung armer Bauern und die Kurdenpolitik. Und er landete immer wieder vor türkischen Gerichten. Im Alter von 91 Jahren ist Kemal in Istanbul gestorben.

Yaşar Kemal: Türkischer Friedenspreisträger ist verstorben
Foto: dpa

Zur Welt kam Kemal im südanatolischen Bergdorf Hemite. So begann ein kämpferisches, oft gefährdetes, reiches Leben. Kemal wurde neben dem jüngeren Orhan Pamuk zum bedeutendsten türkischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Der hochbegabte Junge hatte keine leichte Jugend: "Wir standen bis zu den Knien in der Armut", berichtete er einmal. Bei einem Unfall verlor er sein rechtes Auge, als Fünfjähriger musste er zusehen, wie sein Vater in der Moschee ermordet wurde. Aber schon mit acht Jahren trug Kemal selbst verfasste Gedichte und Lieder vor.

Er hatte viele Jobs, war Hirte, Wasserträger, Fabrikarbeiter, bis er 1951 zur Istanbuler Zeitung "Cumhuriyet" kam, wo er gesellschaftskritische Reportagen schrieb und 1963 entlassen wurde. Im Laufe seines Lebens mehrfach angeklagt, musste er vier Mal ins Gefängnis. 1955 erschien "Memed mein Falke", Kemals bekanntester und in 40 Sprachen übersetzter Roman: Memed, ein Bauernjunge, wird zum Räuber, kämpft gegen einen Großgrundbesitzer. Als Kemal 1997 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, sagte Günter Grass in seiner Laudatio über Memed: "Eine zwiespältige Gestalt, die die Armen hoffen lässt ... ein Held wider den Terror des Unrechts, in dem sich die Ursachen und die Wirkung des mörderischen Terrorismus spiegeln."

(RP)
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