Herzrhythmusstörungen Wie Alkohol das Herz aus dem Takt bringt

Düsseldorf · Wer häufig Bier oder Wein in größeren Mengen zu sich nimmt, erhöht sein Risiko für Herzrhythmusstörungen. Manche können gefährlich werden, etwa das Vorhofflimmern. Wir erklären, wie der Alkoholgenuss unser Herz schädigen kann.

Auf dem Oktoberfest wird nur aus Literkrügen getrunken. Für das Herz kann diese Menge schnell zum Problem werden (Symbolbild).

Auf dem Oktoberfest wird nur aus Literkrügen getrunken. Für das Herz kann diese Menge schnell zum Problem werden (Symbolbild).

Foto: kazoka / Shutterstock.com

Da denkt man an nichts Schlimmes, doch plötzlich stehen Mediziner vor einem. Ausgerechnet hier, beim Oktoberfest, am Ort der größtmöglichen Entspannung, fragen sie, ob man an einer Studie teilnehmen möchte. Die Ärzte wollen den Herzrhythmus messen. Anonym, zu Forschungszwecken.

Das Bier ist einem zu Kopf gestiegen - doch hat es möglicherweise auch etwas mit dem Stolpern des Herzens zu tun? Nun haben Münchner Forscher eine Studie in kapitaler Wiesn-Stärke vorgelegt. 3028 Oktoberfestbesucher wurden zu einem EKG gebeten - und es zeigte sich, dass mit dem Alkoholspiegel das Risiko für Herzrhythmusstörungen bis hin zu Vorhofflimmern steigt.

Das Neue an der Studie: Die in der Fachzeitschrift "European Heart Journal" veröffentlichte Untersuchung prüfte Rhythmusstörungen erstmals unmittelbar nach dem Alkoholkonsum und an einer großen Zahl von Teilnehmern. Bislang hatte man Herzpatienten meist rückwirkend befragt, wie viel Alkohol sie im Leben getrunken hatten. Jetzt gingen die Mediziner den umgekehrten Weg.

Ein Elektrokardiogramm direkt im Bierzelt

Das EKG im Bierzelt gelang den Medizinern telemedizinisch mit einem Smartphone, außerdem wurde der Atemalkohol bestimmt. "Das Ergebnis war: Je mehr man trinkt, desto mehr Herzrhythmusstörungen entwickelt man", sagte Moritz Sinner, der die Studie mit seinem Kollegen Stefan Brunner leitete. Fast ein Drittel der Bierzeltbesucher hatte akute Rhythmusstörungen, ein Viertel Herzrasen - und die Probleme stiegen mit der Alkoholmenge.

Kleinere Studien hatten bereits vermuten lassen, dass viel Alkohol über einen kurzen Zeitraum zu Herzrhythmusstörungen führen kann. Dieses "Holiday Heart Syndrome" war aber nicht während des Alkoholkonsums, sondern nachträglich nüchtern beim Arztbesuch festgestellt worden.

Das Oktoberfest sei für die Studie besonders geeignet, sagte Sinner. Tatsächlich gibt es wohl kaum irgendwo sonst über eine so lange Zeit einen so regen Alkoholkonsum: An 16 Festtagen kommen an die sechs Millionen Besucher - und sie trinken insgesamt etwa sieben Millionen Maß Bier.

Die Wiesn-Besucher hatten im Schnitt 0,84 Promille im Blut

Die untersuchten Bierzeltbesucher hatten im Schnitt 0,84 Promille Alkohol im Blut, im Einzelnen lagen die Werte zwischen null und knapp unter drei Promille. Ab drei Promille waren Menschen zu betrunken, um an der Studie teilnehmen zu können. "Drei Promille Alkohol im Blut entsprechen einer sehr großen Menge an konsumiertem Alkohol und erreichen dabei die Grenze zur Alkoholvergiftung", sagte Brunner. Die nötige Menge Bier hierzu liege je nach persönlicher Konstitution bei sechs bis zehn Litern.

Bei 30 Prozent der Studienteilnehmer - Altersschnitt etwa 35 Jahre - fanden die Mediziner Herzrhythmusstörungen, bei knapp 26 Prozent Herzrasen. Sie verglichen die Daten mit Ergebnissen aus einer Langzeitstudie in der allgemeinen Bevölkerung: Die Häufigkeit der Herzrhythmusstörungen lag hier bei ein bis vier Prozent.

Bei den Wiesnbesuchern stieg das Risiko für Herzrhythmusstörungen pro zusätzlichem Promille um 75 Prozent an. "In einigen Fällen gab es auch Vorhofflimmern", sagte Sinner. Die Erkenntnisse sind bedeutend, da Vorhofflimmern auf Dauer zu Schlaganfällen oder Herzschwäche führen kann.

Nun wollen die Forscher die Ergebnisse vertiefen. "Das ist unser Ausgangspunkt für nachfolgende Studien", sagte Sinner. Um die längerfristige Wirkung zu testen, laufen am Uniklinikum Großhadern Untersuchungen mit Langzeit-EKGs an rund 200 Freiwilligen, "die privat Alkohol trinken gehen".

Die Daten aus München erhärten frühere Studien

Diese Daten waren allerdings nicht ganz überraschend für die kardiologische Welt. Vor einigen Jahren hatten japanische Forscher nach einer Analyse von 14 Kohorten- oder Fall-Kontroll-Studien im angesehenen "Journal of the American College of Cardiology" ähnliche Werte veröffentlicht. In diesen in Europa und Nordamerika durchgeführten Untersuchungen waren Daten von etwa 130.000 Personen erfasst worden, darunter 7558 mit Vorhofflimmern. Sie waren rückwirkend auf ihren Alkoholkonsum hin befragt worden.

Auch hier zeigte sich eine dosisabhängige Verteilung von Rhythmusstörungen. Im Vergleich zu Personen mit dem niedrigsten Alkoholkonsum hatten Personen mit dem höchsten Konsum (Männer: zwei Drinks oder mehr pro Tag; Frauen: ein Drink oder mehr pro Tag) ein relativ um 51 Prozent höheres Risiko für Vorhofflimmern. Mit jeder Zunahme der aufgenommenen Alkoholmenge um zehn Gramm nahm das Risiko für Vorhofflimmern jeweils relativ um acht Prozent zu.

Was passiert in unserer Pumpe, wenn wir Alkohol trinken?

Alkohol wirkt auf viele Prozesse im Körper. Unter anderem stellt er die Gefäße des Körpers weit, wodurch er in den Gefäßen versackt und einen Blutdruckabfall mit sich bringt. Dies führt zu den typisch geröteten Wangen, wenn man Alkohol getrunken hat. Des Weiteren wird der Blutdruckabfall durch die erhöhte Wasserausscheidung begünstigt: Wer Bier trinkt, muss bekanntlich häufiger auf die Toilette. Um den Blutdruck jedoch weiterhin konstant zu halten, reagiert der Körper. Über das sogenannte Zwischenhirn wird der Sympathikus-Nerv aktiviert, und der kurbelt die Ausschüttung blutdrucksteigernder Hormone an - was die Herzfrequenz ankurbelt.

Wer regelmäßig trinkt, erhöht durch den Alkohol und dessen Kalorien sein Körpergewicht, das erhöht ebenfalls den Blutdruck. Das gilt auch für die vermehrte Einnahme von Kochsalz. Auf Dauer kann das zu strukturellen Schädigungen des Herzmuskels, zu einer Herzschwäche führen und den Herzrhythmus verändern.

Was das Herz betrifft, steht moderater Alkoholgenuss inzwischen in einem guten Ruf; in Maßen genossen soll davon - dafür sprechen zumindest Studiendaten - sogar eine protektive, also schützende Wirkung auf Herz und Gefäße ausgehen. Die Wiesn-Studie zeigt nun noch einmal sehr eindringlich: Auf die Menge kommt es an!

(w.g.)
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