Berlin Kliniken: Ambulanzen in Not

Berlin · Jeder dritte Patient, der als Notfall ein Krankenhaus aufsucht, könnte ebenso gut in einer Arztpraxis behandelt werden. Die Kliniken klagen über ungedeckte Kosten und Überlastung bei den Notdiensten.

 Deutschen Krankenhausgesellschaft: Lange Wartezeiten in den Ambulanzen sind Folgen massiver Unterfinanzierung.

Deutschen Krankenhausgesellschaft: Lange Wartezeiten in den Ambulanzen sind Folgen massiver Unterfinanzierung.

Foto: dpa, han cul vbm vfd

Bei der Notfallversorgung von Patienten zahlen die Kliniken in Deutschland nach eigenen Angaben jährlich eine Milliarde Euro obendrauf. Einer Studie im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zufolge erhalten die Kliniken pro Notfall 32 Euro. Es entstünden aber Kosten von 120 Euro pro Fall.

"Die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind vielerorts überlastet und absolut unterfinanziert", beklagte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Die Kliniken setzen sich für eine Reform des Systems der Notfallversorgung ein. Sie fordern selbst das Mandat, die Rahmenbedingungen und die Vergütung der Notfalldienste zu organisieren. Andernfalls drohten "zunehmende Versorgungsengpässe", sagte Baum. Bei den niedergelassenen Ärzten kam der Vorstoß wie eine Kriegserklärung an. Dies sei "gleichermaßen dreist wie hilflos", erklärte der Vorsitzende des Virchow-Bundes, Dirk Heinrich.

Zurzeit liegt die Organisation der Notdienste bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), also der Organisation der niedergelassenen Mediziner. Sie müssen ein Netz aus Praxen vorhalten, durch das die Patienten auch außerhalb der Sprechzeiten versorgt werden. Allerdings ist dieses Netz vielerorts löchrig und wird auch nicht überall angenommen. "Selbst dort, wo die Kassenärzte Notfalldienste organisieren, gehen die Patienten in die Ambulanzen der Krankenhäuser", sagte Baum. "Da wird mit den Füßen abgestimmt."

Die Mehrheit der Patienten benötigt tatsächlich die Ausstattung einer Klinik, weil geröntgt, genäht, gegipst wird oder Laborwerte ermittelt werden müssen. Allerdings könnte jeder dritte Patient, der eigenständig ein Krankenhaus aufsucht, nach Angaben der DKG ebenso gut in eine Praxis gehen. Weitere 20 Prozent könnten niedergelassene Ärzten behandeln, wenn diese eine "fachspezifische Notfallbehandlung" vorhielten, bei der beispielsweise auch Ultraschall-Untersuchungen und die Versorgung größerer Wunden möglich seien.

Die Politik hat das Problem erkannt. "Die Kliniken machen bei der Notfallversorgung flächendeckend ein Verlustgeschäft. Das kann so nicht bleiben", sagte der Vizefraktionschef der SPD im Bundestag, Karl Lauterbach. Noch vor der Sommerpause wolle die große Koalition den Gesetzentwurf zur Krankenhausreform vorlegen. Darin seien Verbesserungen für die Kliniken vorgesehen. Die Notfallambulanzen müssten besser mit dem ambulanten ärztlichen Notdienst verzahnt werden, "dann kann man auch über eine bessere Vergütung reden", betonte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn und verwies ebenfalls auf das geplante Gesetz. Die Kliniken kritisieren die Pläne der Bundesregierung allerdings als unzureichend.

In Nordrhein-Westfalen ist das Thema der Notfallversorgung heikel. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein beschloss vergangene Woche, die Zahl der Notdienstpraxen von derzeit 61 auf 41 zu reduzieren. Die Neuerung ist Wasser auf die Mühlen der Krankenhausgesellschaft, die den Praxis-Ärzten vorwirft, die Notfallversorgung nicht sicherzustellen. Der Chef der KV Nordrhein, Peter Potthoff, sieht dies anders. Er spricht davon, dass die Strukturen effizienter würden. "Selbstverständlich werden die Kassenärztlichen Vereinigungen - wie bisher - auch weiterhin die ambulante Notfallversorgung der gesetzlich Versicherten sicherstellen", sagte er unserer Zeitung.

(RP)
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