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Studie Das Smartphone wirkt auf Kinder wie eine Droge

Düsseldorf/ Mannheim · Fast jede Viertelstunde greifen wir zum Smartphone. Insbesondere Jugendliche können kaum widerstehen. Eltern beklagen Kontrollverlust und Überforderung. Forscher sprechen von exzessiv-abhängigem Gebrauch, betonen aber auch die Potenziale.

"Es ist fast ein Teil des Körpers geworden", fasst Medienforscher Peter Vorderer seine Eindrücke zusammen. Am Donnerstag hat er mit anderen Wissenschaftlern in Düsseldorf im Auftrag der Landesmedienanstalt NRW eine repräsentative Studie zur Nutzung von Smartphones bei Kindern und Jugendlichen vorgelegt. Die Ergebnisse zeigen auf, wie ein noch junges Gerät unser Zusammenleben massiv verändert.

Insbesondere Jugendliche können sich kaum noch ein Leben ohne das Handy vorstellen. Bei den 8- bis 14-Jährigen besitzt bereits jeder Dritte ein Smartphone und steht über das Internet im dauerhaften Kontakt mit seinen Freunden, nutzt es zum Spielen und Musikhören. In der Teilgruppe der 13- und 14-Jährigen beträgt der Anteil bereits 86 Prozent.

Vor allem die Rasanz der Entwicklung beeindruckt Vorderer. "Innerhalb weniger Jahre hat es einen wahnsinnigen Schub gegeben", sagt er. Das Smartphone habe inzwischen alle Lebensbereiche erfasst. Selbst beim romantischen Dinner liege das Gerät auf dem Tisch, manche nehmen das Smartphone mit ins Bett, morgens ist es das erste, mit dem sich sein Besitzer befasst.

Die Daten aus der am Donnerstag vorgelegten Studie klingen vor diesem Hintergrund beunruhigend. Acht Prozent der Kinder stuft sie als suchtgefährdet ein, 21 Prozent nutzen das Handy exzessiv. Mit 500 Schülern führten die Forscher Interviews. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass inzwischen eher das Smartphone die Kinder kontrolliert und nicht umgekehrt.

  • Jeder Zweite räumte ein, dass er der Anziehungskraft des Handys nicht widerstehen kann, etwa bei Hausaufgaben.
  • Jeder Vierte empfindet Stress durch Dauerpräsenz und ständigen Kommunikationsdruck durch Messengerdienste, insbesondere Whatsapp.
  • Jeder Fünfte klagt über schulische Probleme wegen zu intensiver Handy-Nutzung.
  • Jeder Siebte (15 Prozent) bemängelt, dass er zu selten Freunde trifft.
  • Etwa jeder Zehnte hat Erfahrungen mit sozialer Ausgrenzung gemacht.

Das sind Mindestzahlen, die Dunkelziffer kommt noch oben drauf. Die Forscher befürchten, dass Kinder beschönigende Antworten gegeben haben. "Das Smartphone hat eine wahnsinnige Anziehungskraft, der sich nur schwer widerstehen lässt" erläutert Vorderer die Magie des Smartphones. Erstmals lasse sich darüber in Sofortzeit das menschliche Bedürfnis nach sozialer Bestätigung und Zugehörigkeit erfüllen.

Im Umkehrschluss bedeutet das für Jugendliche: Wer nicht bei Whatsapp dabei ist und mitchattet, verliert den Anschluss und gehört nicht mehr dazu . "FoMO" heißt das in Fachkreisen, "Fear of Missing Out". Die Angst, ausgestoßen zu werden, ist in den Augen der Wissenschaftler der wichtigste Motor für Jugendliche, ihre Zeit ins Handy zu investieren.

Zudem verursacht die dauerhafte Kommunikation puren Stress. "Whatsapp-Gruppen sind für Jugendliche extrem wichtig. Mit ihnen geht aber auch der Druck einher, sofort reagieren zu müssen", sagt Vorderer. Gut in Erinnerung ist ihm eine Studentin, die völlig aufgelöst war, weil ihr Freund nach 30 Minuten noch immer nicht eine Nachricht beantwortet hatte, obwohl der Messenger signalisierte, dass er sie erhalten hatte. "Das erzeugt ganz anderen Erwartungsdruck", so Vorderer.

Psychologen wie die Sucht-Expertin Tagrid Leménager vom Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit beobachten das mit Sorge. "Die ständigen Unterbrechungen, das Multitasking, die allgegenwärtigen Gespräche, all das erzeugt permanenten Stress", warnt sie. Insbesondere bei Jugendlichen gefährde exzessive Nutzung die Entwicklung des Gehirns. Die Folge: Auf Dauer droht die Fähigkeit verloren zu gehen, sich dauerhaft zu konzentrieren. Das Handy wirkt dabei wie eine Droge, erläutert die Psychologin die Gier nach Antworten: "Es schafft schnell und viel Belohnung."

Eltern stellt das vor ganz neue Fragen. Manche sind allein technisch überfordert. Zudem gibt es bei der "Handy-Erziehung" keinerlei Erfahrungswerte. Die häufige Folge: Verunsicherung und das Gefühl von Machtlosigkeit und Kontrollverlust. Erschwerend kommt hinzu, dass Eltern gefahr laufen, den Zugang zu ihren Kindern zu verlieren, weil sie nicht mehr mitbekommen, womit sich der Nachwuchs beschäftigt. Das Handy zählt wegen seines kleinen Monitors zum Bereich der Privatsphäre, seine Nutzung ist nicht öffentlich — ganz im Gegensatz zum Fernseher.

Gleichzeitig betonen die Forscher aber auch die Chancen und Vorteile von Smartphones im familiären Alltag. Es erleichtert Absprachen und Kommunikation, kann Menschen durch Videos oder Spiele zusammenbringen. Familien im Jahr 2015 stehen damit vor einer großen Herausforderung: "Wir haben eine dynamische neue Technologie mit großen Auswirkungen auf den Alltag, aber wissen noch nicht, wie wir uns dazu verhalten sollen", so Vorderer.

Seine Schlussfolgerung: Eltern müssen mit ihren Kindern Vor- und Nachteile abwägen. Ohne klare Regeln werde das aber kaum gehen. In seinen Vorlesungen sei die Nutzung von Smartphones verboten.

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