Verbrauchertäuschung Wie mit Testsiegeln Geld verdient wird

Düsseldorf · Viele Einrichtungen verkaufen Gütesiegel zu Werbezwecken. Kritiker sehen dadurch die Unabhängigkeit der Anbieter gefährdet. Denn je mehr Testsieger gekürt werden, desto mehr wird verkauft. Juristen fürchten Verbrauchertäuschung.

Die bekanntesten Qualitäts-Siegel im Überblick
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Immer mehr "Institutionen" testen und vergleichen Produkte im Namen des Verbraucherschutzes. Was sie nicht sagen: Mit den Testsiegeln wird schwunghafter Handel getrieben. Jetzt will sich sogar die Stiftung Warentest über den Siegelkauf finanzieren. Kritiker sehen die Unabhängigkeit gefährdet, wenn Test- und Güte-Siegel an die Produzenten verkauft werden.

Wie ein lukrativer Siegelverkauf aussieht, beweisen seit Jahren die Zeitschrift "Focus Money" und das privatwirtschaftliche Deutsche Institut für Service-Qualität (Disq), das sich selbst "Mediendienstleister" nennt. Bis zu 22 500 Euro verlangt "Focus Money" laut einem uns vorliegenden Angebot von Unternehmen, wenn sie mit dem Test-Logo ein Jahr werben möchten. Bei der Hamburger Disq sind es bis zu 16 500 Euro. Die Stiftung Warentest berechnet ab 1. Juli je nach Umfang des Werbeeinsatzes für ein Testlogo zwischen 7000 und 15 000 Euro pro Jahr. Bisher hatte die Nutzungsgebühr des Logos als Aufwandsentschädigung 500 Euro betragen. Weit über 100 000 Euro können sogar für ein TÜV-Siegel fällig werden, wie der Versicherer Ergo bestätigt. Das Unternehmen hat vom TÜV Saarland seine Kommunikation testen lassen und ein "Gut" erhalten. Allein der Autoclub ADAC und die Zeitschrift "Öko-Test" erheben für Nutzung des Labels weiter nur eine Aufwandsentschädigung von 300 Euro.

Die Tricks der Siegel-Verkäufer

Die Siegel-Verkäufer sind pfiffig. Wer viele Teilsieger kürt, erhöht die Chancen, möglichst viele Siegel bei der Wirtschaft abzusetzen. So testet Disq das gleiche Produkt, nämlich "Ratenkredite", bei Direktbanken und Servicebanken getrennt. Auch bei den Autoversicherungen wird zwischen Direkt- und Filialanbietern unterschieden. "Focus Money" hat sogar sechs Kfz-Serviceversicherer und zwei Kfz-Direktversicherer mit der Note "sehr gut" ausgezeichnet. Oft gibt es zudem im Test viele Sieger. So bietet "Focus Money" für einen Test gleich vier Siegel an. Das Logo "Fairster Anbieter —Kundenurteil sehr gut" kostet 15 000 Euro, das Logo "Fairste Kundenkommunikation — Kundenurteil sehr gut"noch 5000 Euro. Beim "Mediendienstleister" Disq sind bei einem einzigen Test sogar schon einmal fünf Teilbereiche möglich — so bei der Kundenbefragung "Reiseveranstalter" im April 2013. Hier wurde die Zufriedenheit der Kunden mit Preis, Qualität, Angebot, Service und Gesamtzufriedenheit ausgezeichnet.

Siegelkäufer und -verkäufer betonen, dass die Unabhängigkeit und die Objektivität der Vergleichstests nicht beeinträchtigt werde. Der Siegelkauf sei ja erst nach Veröffentlichung der Ergebnisse möglich. Die Preise seien marktüblich. Tatsächlich haben Tester, die sich ganz oder teilweise durch einen Siegelverkauf finanzieren, ein hohes wirtschaftliches Interesse daran, viele Tests und viele Testsieger zu produzieren. Denn nur diese kaufen ein Testsiegel. Was heißt das für die Stiftung Warentest? "Die zentrale Aufgabe ist es nun, sicherzustellen, dass der Siegelverkauf keinen Einfluss auf die Testarbeit der Stiftung nimmt", warnt Eckhard Benner, Referent für Verbraucherpolitik der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Eine marktunabhängige Finanzierung gebe es nicht, wenn die Tester auf einen Siegelverkauf angewiesen seien. Wenn Vergleichstests nur dem Verkauf von Siegeln dienten, würden Verbraucher getäuscht, meinen Juristen. "Das ist eine Verbrauchertäuschung, denn tendenziell besteht hier immer die Gefahr, dass nicht der beste, sondern der reichste Hersteller gewinnt", sagt die Hamburger Anwältin Maja Kreßin. Sie verlangt, Tester sollten Kosten und Gewinne, die sie mit dem Testsiegel-Verkauf erzielen, transparent machen. Nur so könnten Verbraucher die Interessenlage der Tester richtig einschätzen.

(RP/csr)
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