Rau und schön Irlands neue Küstenstraße am wilden Atlantik

Killarney · Die Westküste Irlands ist rau und spektakulär, der Ring of Kerry und die Cliffs of Moher ziehen seit langem viele Reisende an. Nun soll der Wild Atlantic Way, eine 2500 Kilometer lange Küstenroute, auch die abgelegenen Gegenden bekannter machen.

Irlands neue Künstenstraßen
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John Kissane pfeift scharf, dann brüllt er zu seinen Collies in den grünen Hügeln hinunter: "Away" für rechts, "come by" für links. Die Border Collies hetzen hin und her, treiben die Schafe über Weiden, Steinmauern und durch Bäche. Ein paar Minuten dauert das Pfeifen, Schreien und Rennen, dann trottet die Herde an ihrem Schäfer vorbei ins Gatter. Das Zusammentreiben ist Kissanes tägliche Arbeit und zugleich ein Schauspiel für Touristen. Gut möglich, dass er bald ein paar zusätzliche Vorstellungen geben muss.

Kissanes Farm liegt im Black Valley und damit nahe am Wild Atlantic Way, der neuen Super-Fernroute Irlands. Über 2500 Kilometer schlängelt sich der Weg an der Westküste entlang, von der Halbinsel Inishowen im Norden bis Kinsale im Süden. Es ist einer der längsten markierten Küstenrouten der Welt.

Bis zum vergangenen Mai wurden 3850 Schilder mit dem gezackten Logo aufgestellt, allein das hat drei Millionen Euro gekostet. Und das Projekt geht weiter. In diesem Jahr sollen an den Signature Discovery Points, also besonderen Sehenswürdigkeiten, Parkplätze ausgebaut sowie Toiletten und Infotafeln aufgestellt werden. Das Ziel ist, mehr Touristen an die Westküste zu locken.

John Kissane hatte auch bisher schon viele Besucher. An Spitzentagen kommen bis zu zehn Reisegruppen vorbei und schauen ihm zu, wie er seine Collies herumscheucht und danach die Schafe mit einem Elektrorasierer wie eine Mandarine schält. Zwei Drittel seines Einkommens verdient er mittlerweile mit Touristen. "Es ist unmöglich, heute allein von Schafen zu leben", erklärt der 46-Jährige, der die Farm in der sechsten Generation führt. Für seine Wolle bekomme er nur noch einen Bruchteil des Preises von vor 30 Jahren.

Kissane hatte Glück, nahe seiner Farm verläuft der Ring of Kerry. Dort sind im Sommer so viele Reisebusse unterwegs, dass sie nur noch gegen den Uhrzeigersinn fahren dürfen. Denn zwei Busse könnten sich auf den engen Landstraßen kaum aneinander vorbei drücken.

In anderen Regionen der Westküste sind ausländische Gäste noch eine Rarität. In der Grafschaft Donegal war man bisher oft allein, wenn man durch die riesigen Sanddünen am Malin Head wanderte. Denn bei der Teilung Irlands im Jahr 1921 wurde dieser nordwestlichste Teil quasi vom Rest der Republik abgeschnitten - zumindest im Bewusstsein der meisten Touristen. Das könnte sich jetzt ändern.

Die aufwendige Marketingoffensive für den Wild Atlantic Way rückt auch bisher abgelegene Regionen ins Scheinwerferlicht. In Donegal liegen 3 der 15 Signature Discovery Points. Der spektakulärste heißt auf Gälisch Sliabh Liag, 600 Meter tief stürzen die Klippen hier in den Atlantik. Wer schwindelfrei ist, kann über den eineinhalb Meter breiten Grat des One Man's Pass zu den Klippen aufsteigen.

Die weitaus berühmteren Cliffs of Moher erscheinen dagegen zahm. Der Wanderweg entlang der Abbruchkante ist gut gesichert, es gibt mehrere Aussichtsplattformen, und Boote schippern die Besuchermassen um die acht Kilometer langen Klippen. Im Vergleich zu Sliabh Liag sind sie Winzlinge: Die höchste Stelle Knockardakin misst 214 Meter.

Nur wenige Reisende werden die volle Länge des Wild Atlantic Way abfahren. Aber für welchen Teil man sich auch entscheidet, die Natur ist überall rau und schön. Trotz des Wetters. Kevin Kennedy schiebt gerade sein Kajak ins Meer, als es mal wieder irisch wird. Ein Platzregen geht nieder, ist es der fünfte oder der zehnte heute?

Der 30-Jährige scheint ihn kaum zu bemerken, ungerührt paddelt er durch die Kenmare Bay in Richtung Ozean. Am Ufer schauen Villen hinter den Bäumen hervor. Robben fläzen auf Felsen, auf einer kleinen Insel wuchert ein Rhododendron-Dickicht hinter dem Schilfgürtel. Das Wasser ist so klar, dass man rings um das Kajak das gelbe Seegras im Meer sieht. Schöner kann es in Kanada auch nicht sein.

In einem schmalen Kanal stoppt Kennedy und dreht um. An der Mündung hört man den Atlantik tosen. Diesmal ist er ein bisschen zu wild. Am nächsten Tag leider auch. "Da draußen sind die Wellen 15 Fuß hoch", sagt Pat O' Neil am Morgen. "Unmöglich, zu den Skelligs hinauszufahren." O'Neil bringt seit 35 Jahren Besucher zu den Felsinseln, die wie Pyramiden mitten aus dem Meer wachsen. Er weiß, wann er dort anlegen kann und wann nicht. Unbedingt hinaus auf den Ozean will bei gut viereinhalb Meter Seegang ohnehin niemand.

Als Entschädigung gibt es die Skellig Islands auf der Leinwand des Besucherzentrums zu sehen. Die Kamera fliegt über die 1000 Jahre alten Stufen, die die Mönche in die steilen Felsen von Skellig Michael geschlagen haben. Das Bild zeigt die Steiniglus, in denen die Eremiten hausten, und ihr Kirchlein, alles als Welterbe geschützt.

Die Geschichte ist unübersehbar in Irland, überall stehen Burgen in den Hügeln oder an den Seen, einige stark ramponiert. Noch viel älter ist der Steinkreis von Uragh auf der Beara-Halbinsel. "Ok, es ist nicht Stonehenge", sagt Larry Coady, der Abenteuer-Urlauber durch Irland chauffiert. Aber die Monolithen wurden vor immerhin 4000 Jahren hier aufgestellt. Wahrscheinlich. "So genau weiß es keiner", sagt Coady. Auch nicht, was ihr Sinn war. Vielleicht wurden hier Tiere den Göttern geopfert? Der Platz auf einer Terrasse über dem Loch Inchiquin, mit Blicken auf die hohen Hügel und die Wasserfälle ringsum, war jedenfalls gut gewählt. Er war dramatisch wie die ganze Westküste Irlands.

(dpa)
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