Wie aus 1001 Nacht

Orientalische Paläste, beeindruckende Moscheen, fruchtbare Stadtgärten und moderne Menschen in weiter Wüste - der Iran überrascht schon wegen seiner großen Abwechslung. Eine Reise ins Dreieck Isfahan, Shiraz, Yazd.

Shahla schlägt ihr Buch auf und liest daraus die ersten Zeilen eines Liebesgedichts vor. Dann reicht die Iranerin das Werk an ihre Freundin weiter, die die nächsten Zeilen rezitiert. Zu fünft hocken die jungen Frauen vor dem marmornen Grabmahl des persischen Poeten Hafez. "Sein Mausoleum ist für uns eine Art Pilgerort. Wir verehren diesen Mann, mit dessen Gedichten sich schon Goethe beschäftigt hat", sagt die 34-Jährige stolz. Schwarzgewandte Frauen mit bunten Kopftüchern streichen derweil über die Grabplatte unter der himmelblau beleuchteten Kuppel. Auf den Stufen ringsherum sitzen Männer in Jeans und machen Selfies, andere knien auf Teppichen zwischen Pinien und Bougainvillea im Garten der Gedenkstätte und beten.

Das Hafez Mausoleum ist eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten in der iranischen Millionenstadt Shiraz. Die ehemalige persische Hauptstadt am Rande des Zagrosgebirges ist bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebt.

Gewölbeartige Gassen führen durch den Bazar-e Vakil. Deren Wände schmücken handgewebte Teppiche, Goldketten hängen neben hölzernen Schachspielen. Aus den Backstuben duftet es nach frischem Brot. Man trifft sich zu Tee und Gushe Fiel, einer Süßigkeit aus Rosenwasser, in Cafés, die Höhlen gleichen. Oder entspannt in einem der Stadtgärten zwischen Orangen- und Granatäpfelbäumen.

Schon der Achämenidenkönig Darius I, dessen persisches Großreich vor mehr als 2000 Jahren von der Türkei bis nach Pakistan reichte, wählte diese Gegend für seine imposante Palastanlage. Noch heute zeugt Persepolis, die "Stadt der Perser", vom Prunk vergangener Tage, auch wenn aus dem früheren Waldgebiet längst Wüstenboden wurde. Auf 13 Hektar erstrecken sich die Reste von mit Steinreliefs verzierten Schatzkammern, Dutzenden atemberaubender Säulen auf gigantischen Terrassen und hundert schnurgerade ausgerichteten Sockeln des einstigen Thronsaals - ein Unesco Weltkulturerbe.

In der fast ebenso alten Lehmstadt Yazd geht es auch heute noch traditionell zu. Zwischen Steppe und Tamarisken verhüllen sich die Frauen mit dem Tschador, dem schwarzen Ganzkörperschleier. "Zu Hause sind wir freier. Nur wenn sich männlicher Besuch ankündigt, müssen wir ein Kopftuch tragen", erklärt die 40-jährige Nei vor ihrem Hauseingang in der Altstadt. Der Einfachheit halber hängen an der schweren Holztür gleich zwei Türklopfer: ein ringförmiger für Frauen und einer in Form eines Quaders, der den Männern vorbehalten bleibt. Aus dem Dächergewirr lugt einer der typischen Windtürme zur Hausbelüftung. Gegenüber erhebt sich das gewaltige Portal der Freitagsmoschee. Wie aus Tausendundeiner Nacht reckt sich das Doppelminarett gen Himmel. Der Prachtbau aus dem 14. Jahrhundert ist das Wahrzeichen der Stadt. Am Stadtrand hingegen zieren die Türme des Schweigens wie kleine Stierkampfarenen die Felslandschaft. Vor fünf Jahren war hier noch Wüste, seitdem ist Yazd stark gewachsen. Dennoch ist es still auf dem riesigen Staubfeld um die Begräbnisstätten. Mystik liegt in der Luft. Man kann sich gut vorstellen, wie es gewesen sein muss, als die alt-persische Glaubensgemeinschaft der Zarathustrier ihre Toten den Geiern freigab. Bis vor 60 Jahren war das so. "Seitdem liegen die Überreste in Betonsarkophagen, die Greifvögel verschwanden, aber die geheimnisvolle Stimmung blieb", schwärmt Mostafa. Der 50-jährige Kachelmaler aus Isfahan kommt einmal im Jahr mit seiner Frau an diesen Ort.

Isfahan, die Künstler- und Universitätsstadt am Zayandeh Fluss, ist berühmt für handgedruckte Tischdecken, weißen Nougat mit Pistazien und die Kachelmalerei. Bis zu vier Tage sitzen die Kunsthandwerker in den Basaren über einem Stück aus gepresstem Kamelknochenpulver und zeichnen darauf Miniaturbilder persischer Dichter und der Königsfrau Scheherazade. Gleich daneben auf dem Imam-Platz bringen Kunststudentinnen die schöne Kuppel der Sheik Lotfollah-Moschee zu Papier. Pferdekutschen fahren an den Arkaden entlang, die die autofreie Piazza einrahmen. Familien picknicken zwischen akkurat getrimmten Zypressen im grünen Gras. Der Platz ist einer der größten der Welt und ein Kunstwerk für sich, überragt von der gleichnamigen Moschee. Als die Baumeister die Mauern im 17. Jahrhundert mit Mosaiken besetzten, stellten sie bald fest, dass sie an einer Lebensaufgabe arbeiten würden und gingen auf Kacheln über. Der Imam-Moschee hat es nicht geschadet. Nach 20 Jahren Bauzeit gilt vor allem ihr Inneres mit als das Schönste, was der Iran zu bieten hat.

Die Redaktion wurde von Gebeco zu der Reise eingeladen.

(RP)
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