Jordanien Wo Felsen Feuer fangen und Sonne die Erde berührt

Amman (rpo). Jordanien - das ist nicht nur Jahrtausende alte Kultur, das sind auch grandiose Naturspiele, die sich Wanderern bieten. Wenn die Sonne die Erde berührt, fangen die Felsen Feuer: Sie leuchten in ocker und rot, mischen sich mit dem strahlenden Blau des Himmels und dem Grün der Akazien. Wer sich ein solches Schauspiel nicht entgehen lassen möchte, sollte das Land zu Fuß erkunden.

Schätze Jordaniens
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Foto: HASH(0x1e568e68)

Der Morgen graut, die Nacht im Zelt ist vorbei - endlich. An Schlaf war ohnehin nicht mehr zu denken, seit vor einer Stunde die Blase drückte und der Wind das ferne Gejaule der Wölfe durch die Zeltwand trug. Aufstehen und rein in die Wanderschuhe - es gilt, die Stunden bis 8 Uhr zu nutzen, bis die Sonne die Lust am Gehen vollends verdampft. Nach einem kurzen Frühstück geht es los: vom Rummana-Zeltcamp über einen Pfad zum Dorf Dana mit dem Besucherzentrum des Schutzgebietes in den Shara-Bergen Jordaniens.

Jetzt, in den Stunden, in denen die Sonne scheinbar die Erde berührt, entfaltet die zerklüftete Sandsteinlandschaft ihre ganze Magie. Nun leuchten die Farben: Felsen fangen Feuer, sie werden ocker und rot und leuchten. Das Grün der Akazien, Pinien und Zedern strahlt vor einem klaren blauen Himmel. Die Tiere haben sich bei Anbruch des Tages aber schon aus dem Staub gemacht. Vor allem die großen Bewohner des Schutzgebietes erweisen sich als wenig Safari-tauglich: Sie sind scheu und ziehen einen Alltag im Verborgenen dem Foto-Shooting vor.

Mechaniker als Wanderführer

Vögel und Pflanzen gibt es dafür genug, und sowieso entgeht nichts, was nicht rasch genug verschwindet, den Adleraugen von Ahmed, dem Ranger. Der ehemalige Mechaniker der jordanischen Luftwaffe trägt ein Palästinensertuch als Sonnenschutz. Wenn er den Kopf in den Nacken legt, scheint es, als habe er nie etwas anderes gemacht - dann wird er eins mit den Bergen. Anschließend nimmt er Witterung auf und scannt den Boden. Meist sieht Ahmed dabei Interessantes: Rebhühner, Thymian, die Spuren von Wölfen und Schakalen oder frisch urinierte Wegmarken von Stachelschweinen.

Findet Ahmed nichts, so schiebt er Fakten nach — über den Formenwandel der Steineichenblätter zum Beispiel oder über das Schutzgebiet im Allgemeinen. Dana ist mit einer Fläche von 320 Quadratkilometern das älteste von acht Naturreservaten Jordaniens. Der Großteil des Reservats ist nur zu Fuß über 15 Wanderrouten erreichbar. 1989 errichtet, ist Dana auch das erste Gebiet, in dem Naturschutz mit der Entwicklung von Öko-Tourismus vereint werden soll. 15 000 Besucher kamen jeweils in den vergangenen Jahren, viele von ihnen aus Frankreich, Holland, Italien und Deutschland.

Ahmed ist entsprechend polyglott: "Thank you for visiting our country. Dankeschön, bitteschön", sagt er und schlägt sich lachend auf die Knie. Das war es aber auch schon mit Konversation auf Deutsch. Der Rest seines deutschen Wortschatzes erweckt eher den Eindruck, als habe er früher vor allem Ornithologen betreut.

Seltene Tiere

Eine Broschüre der jordanischen Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN) verrät den exakten Marktwert der Wildnis: Im Dana-Schutzgebiet leben 700 Pflanzenarten sowie 190 Vogel-, 37 Säugetier- und 35 Reptilienarten. Die seltenen Stars der Truppe sind der Syrische Wolf, der luchsartige Caracal, der Rötelfalke und die Dornschwanz-Eidechse. Und angeblich machen auch die letzten jordanischen Leoparden die Gegend unsicher, sagt Ahmed. Das wagt aber keiner zu drucken, weil man die Raubkatzen nie sieht.

Was die königliche Naturschutzorganisation unter Regionalförderung versteht, ist in einer Werkstatt in der Nähe des Besucherzentrums zu sehen: Beduinenfrauen — alle mit Kopftuch und grünem Kittel - stellen Silberschmuck her. Sie hämmern und schleifen an Menschenfiguren, Gazellen, Kamelen und Vögeln im globalen Ethno-Design. Das schafft alternative Einkommen und vermindert den Druck auf die Natur. Im Laden nebenan wird der Schmuck unter der Marke "Wadi Dana" verkauft.

Große Geschäfte mit Urlaubern werden dagegen in Petra gemacht, dem touristischen Brennpunkt des Haschemitischen Königreiches, wie Jordanien sich offiziell nennt. Rund 300.000 Besucher kommen jedes Jahr. Und der Weg lohnt sich: Die antike Stadt der Nabatäer mit den aus dem Fels gemeißelten Bauten sucht ihresgleichen. "Petra ist der herrlichste Ort der Welt", schrieb Anfang des 20. Jahrhunderts der Brite T. E. Lawrence, besser bekannt als "Lawrence von Arabien".

Kulisse für Indiana Jones

Die hinter einer fast anderthalb Kilometer langen Schlucht versteckte Felsenstadt, die seit 1985 zum Weltkulturerbe der Unesco gehört und Steven Spielberg als Kulisse für "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" diente, ist dabei mehr als eine Ansammlung in Stein gemeißelter Gebäude. Sie ist Kultur- und Naturwunder zugleich, das ästhetische Zusammengehen menschlicher Kunst mit den Kräften der Natur. Wind und Sand haben viele Tempel, Gräber, Schatzkammern und Säulen zu organischen Formen rund geschliffen - und die weißen, braunen oder roten Schichten des Sandsteins poliert.

Die etwa 1000 Gebäude von Petra erstrecken sich über ein unüberschaubar großes Gebiet. Es misst im Durchmesser mehr als 20 Kilometer und ist noch lange nicht vollständig ausgegraben. Viele Gebäude sind nur nach stundenlangen Bergtouren zu erreichen. Fernab der Hauptattraktionen, zu denen das 40 Meter hohe Schatzhaus und das Amphitheater gehören, verlieren sich auch die Besuchermassen. Still und scheinbar unberührt ragen die Reste einer untergegangenen Kultur dann aus dem Berg — wie zu Zeiten der Entdecker.

Nervenkitzel und ein erhöhter Pulsschlag sind dagegen im Mujib-Naturreservat garantiert. Es gilt — Superlative verkaufen sich immer gut - als das tiefstgelegene Naturschutzgebiet der Welt. Das Reservat erstreckt sich vom 900 Meter hohen oberen Rande des Großen Grabenbruchs, der vom Jordantal bis nach Ostafrika reicht, bis zum Ufer des Toten Meeres 410 Meter unter dem Meeresniveau.

Grand Canyon Jordaniens

Zentraler Teil ist die Schlucht des Wadi Mujib, die als der Grand Canyon Jordaniens beworben wird. Die Wadis — Wüstenflüsse, die nur nach Regen Wasser führen - und der Höhenunterschied bilden die Grundlage für die hohe Artenvielfalt in Mujib: Viele der 22 in Jordanien heimischen Orchideenarten haben Botaniker hier gezählt.

Doch auch im Wadi Mujib Reserve offenbart die Natur nur demjenigen ihre Schönheit, der bereit ist, sich anzustrengen. Ausschließlich zu Fuß und über vier Wanderwege sind die abgelegenen Teile des Reservats erreichbar. Die gefährlichen Routen in den Schluchten dürfen nur mit einem Ranger als Begleitung betreten werden. "Für diejenigen, die Abenteuer und Natur bevorzugen, mag eine Wanderung durch ein Wadi eine herausfordernde Aufgabe sein, die Körper und Geist verjüngt", heißt es dazu in einem Prospekt des Jordan Tourist Board.

Wenn das so ist, wird Mahmoud Nawashrah jeden Tag jünger. In der Saison von April bis Oktober, wenn das Wasser flach genug ist, betreibt der schlaksige Mann, der in seiner Sporthose dem ehemaligen Bayern-München-Stürmer Ali Daei gleicht, täglich Canyoning. Dieser sportlich-positiv besetzte Marketingausdruck beschreibt das Unterfangen aber sehr ungenau. Man könnte auch sagen: Klamm-Klettern oder Bergbach-Hinaufkraxeln. Spaß macht es trotzdem — irgendwie.

Nass bis auf die Knochen

Der Weg führt durch eine enge Schlucht, genauer: er wird zur Schlucht, zum — glücklicherweise lauwarmen — Fluss, zum blauen Halteseil im Wasserfall. Stellenweise ist das Wasser vier Meter tief. Dann heißt es schwimmen. Mal geht es kletternd vorwärts, mal auf dem Bauch über algig-grüne Steine. Mahmoud meistert alle Aufgaben sicher und mit Plastiksandalen an den Füßen. Da fragt sich der Tourist schnell, wozu 200 Euro teure Wanderstiefel eigentlich gut sein sollen. Als Wasserspeicher? Aus den Schuhen schmatzt es jetzt bei jeder Bewegung, und die Klamotten sind nass bis auf die Knochen.

Statt weiter Aussichten in die Landschaft offenbaren sich bei diesem Abenteuer Einblicke in die eigene Leidensfähigkeit. Canyoning ist eine Schussfahrt in die Anspruchslosigkeit. Bestimmt anfangs die Sorge um das noch trockene Schuhwerk und die Kamera die Schritte über die schmierseifigen Steine, so dominieren am Schluss Durchhaltewillen und Erschöpfung — der Rest ist egal. Die kommende Nacht wird ruhig, garantiert. Da können die Wölfe noch so viel in den Wind heulen.

Info

REISEZIEL: Jordanien liegt im Nahen Osten und grenzt an Syrien, Irak, Saudi-Arabien, Israel und das Palästinensische Autonomiegebiet. Jordanien ist etwas größer als Österreich und hat rund 5,5 Millionen Einwohner. 93 Prozent sind Moslems. Auf schulter- und rückenfreie Kleidung, kurze Röcke und Shorts sollte verzichtet werden.

SICHERHEIT: Am 9. November 2005 wurden gegen drei Hotels in Amman Bombenanschläge verübt. Das Auswärtige Amtes in Berlin rät erhöhter Vorsicht an öffentlichen Orten und touristischen Einrichtungen. Es bestehe "die erhöhte Gefahr weiterer Terroranschläge in Jordanien".

WÄHRUNG: Ein Jordanischer Dinar (JD) kostet etwa 1,18 Euro (Stand: Januar 2006). Kreditkarten werden in Banken, Hotels und größeren Restaurants akzeptiert.

(gms)
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