Moers Narrenzug ohne Behinderte

Moers · Mit Michael I. und Claudia I. haben die Caritas Werkstätten Niederrhein in diesem Jahr ein besonders engagiertes Prinzenpaar. Gern würden sie im Nelkensamstagszug mitfahren – doch das wird nicht erlaubt.

Mit Michael I. und Claudia I. haben die Caritas Werkstätten Niederrhein in diesem Jahr ein besonders engagiertes Prinzenpaar. Gern würden sie im Nelkensamstagszug mitfahren — doch das wird nicht erlaubt.

Michael Hertgens ist begeisterter Karnevalist. Seit vielen Jahren steht er bei den Sitzungen in St. Marien Hochstraß auf der Bühne und lässt die Herren des Elferrates tanzen. Auch eine Büttenrede im Zwiegespräch gab es von ihm schon zu erleben. Eine besondere Leistung, denn Michael Hertgens ist geistig-behindert.

Er lebt im Kardinal-von-Galen-Haus, dem Wohnheim von Caritas Wohn- und Werkstätten Niederrhein, Lebenshilfe und Verein für spastisch Gelähmte an der Römerstraße und arbeitet auch bei den CWWN. In diesem Jahr machten die CWWN ihn zu Michael, dem Köchelnden, dem Prinzen der Werkstatt. Gemeinsam mit seiner Prinzessin Claudia Schmitz aus Scherpenberg, ebenfalls behinderte Mitarbeiterin der CWWN, begeistert er bei ihren engagierten Auftritten mit purer Freude am Karneval.

So wurde auch der Wunsch wach, beim ENNI-Nelkensamstagszug dabei zu sein. Eine Mitfahrgelegenheit wurde gefunden — auf dem Wagen des lokalen Radiosenders Radio KW. Doch daraus wird wohl nichts. Der Kulturausschuss Grafschafter Karneval als Veranstalter des Nelkensamstagszuges erlaubt dies nicht — aus Sicherheits- und versicherungstechnischen Gründen.

"Sicherheitsrisiko"

Kaum zu glauben: In Zeiten von Inklusion an den Schulen und "Teilhabe und Selbstbestimmung" als Prinzip der Behindertenpolitik werden geistig-behinderte Menschen zum Sicherheitsrisiko erklärt. KGK-Präsident Hansi Kitzhofer: "Wir hätten den beiden gern die Mitfahrt ermöglicht, auch wenn unsere Satzung normalerweise vorschreibt, dass nur das Prinzenpaar unseres Verbandes am Zug teilnehmen darf. Leider ist niemand von den Caritas-Werkstätten frühzeitig auf uns zugekommen, sonst hätten wir versucht, die Angelegenheit zu regeln. Ich habe erst vergangene Woche davon erfahren."

Kitzhofer sagt, der Wagen müsste für die beiden spezielle Sicherheitsvorrichtungen wie Haltegriffe oder einen Rahmen haben." Die Rücksprache mit der Versicherung Bifunda habe ergeben, dass die Teilnahme von behinderten Menschen ein besonderes Sicherheitsrisiko darstelle. Man müsse das frühzeitig melden und zudem bis zu 800 Euro zusätzlich bezahlen. Und auch eine Behindertentoilette auf dem Wagen und am Zugweg sei erforderlich. Was schon sehr seltsam ist, denn Michael Hertgens und Claudia Schmitz sind nicht körperlich behindert und benötigen eine solche Lösung im Alltagsleben nicht.

Norbert Lipperheide von den CWWN hat durchaus Verständnis für die Probleme des KGK. Er weiß, dass Versicherungen behinderte Menschen oft kritisch beurteilen — und manche Haftpflichtversicherung sie gar nicht aufnimmt. Er hofft, eine Lösung mit Hilfe der eigenen Versicherung Ecclesia zu finden.

Michael I. und Claudia I. werden den Zug möglicherweise nur vom Straßenrand aus erleben — wie sie es jedes Jahr als treue Fans tun. Andere Züge dagegen schließen Behinderte nicht aus. So ist in Issum beim Rüseldienstagszug stets ein Wagen des dortigen CWWN-Wohnheims mit dabei. Die Kollegen von Michael Hertgens stellen dort sogar die Ordner an den Wagenachsen. Andere Städte machen Behinderte sogar offiziell zu Narrenregenten: So regiert Henning I., ein Zwölfjähriger mit Downsyndrom, als Kinderprinz in Stolberg-Vicht bei Aachen. in Geldern-Kapellen fuhr ein Dreigestirn aus dem Wohnheim St. Bernardin im Zug mit. Auch der KGK hatte mit Udo I. (Winkler) schon einmal einen (körperlich) behinderten Prinzen, der nach den heutigen Kriterien nicht beim Zug hätte dabei sein dürfen.

Ist der KGK konsequent, wird er am Samstag zunächst überprüfen, ob es Elferratsmitglieder, Senatoren und andere Zugteilnehmer gibt, die einen Behindertenausweis besitzen — etwa bedingt durch eine Knieoperation. Der neuen Logik nach sind sie dann auch ein Sicherheitsrisiko und dürfen nicht mitfahren.

(RP/rl)
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