Solingen Entdeckung des gesellschaftskritischen Kubisten

Solingen · Das Zentrum für verfolgte Künste in Solingen widmet sich dem vergessenen Maler Oscar Zügel.

 1933 malte Oscar Zügel das kubistische Werk "Der Propagandaminister".

1933 malte Oscar Zügel das kubistische Werk "Der Propagandaminister".

Foto: Kunstmuseum Solingen

Das Siegel "Entartete Kunst" ist heute ein Synonym für die künstlerische Avantgarde zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Doch nicht alle Künstler, die die nationalsozialistischen Machthaber verfolgten, konnten später aus ihrem Schattendasein im "Dritten Reich" heraustreten. Von der "Verschollenen Generation" sprechen Kunsthistoriker. Um das Werk von solchen Künstlern kümmert sich Rolf Jessewitsch. Er leitet das Zentrum für verfolgte Künste in Solingen. Auch der Landschaftsverband Rheinland fördert diese Arbeit nun mit einem jährlichen Zuschuss von 290 000 Euro.

Jessewitsch' Arbeit hängt oft vom Zufall ab. Im Fall des 1892 geborenen Künstlers Oscar Zügel bedeutet Glück, dass die Nazi-Schergen schlampig gearbeitet haben. 1933 stürmten die Nationalsozialisten sein Atelier in Stuttgart und beschlagnahmten seine Bilder. Die nach ihrer Ideologie "Entartete Kunst" sollte im Hof der Staatsgalerie verbrannt werden. Dass die Bilder diesem Schicksal entgingen und nun im Solinger Kunstmuseum zu sehen sind, ist einer jungen Museumsangestellten namens Emma Kern zu verdanken. Zügels Kunst wurde in versiegelten Kisten zunächst in den Keller der Staatsgalerie gebracht. Emma Kern wollte sie vor der Zerstörung retten und schob die Kisten hinter die Heizung. In diesem Versteck überdauerten die Kunstwerke den Krieg und wurden erst 1951 wiederentdeckt.

Zu einer Ausstellung dieser Werke in Deutschland ist es zu Zügels Lebzeiten nicht mehr gekommen. Darum kennen nur wenige seinen Namen. Zügel emigrierte nach dem Überfall nach Spanien in die Künstlerkolonie Tossa de Mar, wo er Freundschaft mit dem russischen Exilanten Marc Chagall schloss. Lange konnte er dort nicht bleiben, vor dem spanischen Bürgerkrieg floh Zügel mit seiner Familie nach Argentinien. An eine künstlerische Tätigkeit war nicht zu denken. Stattdessen arbeitete er als Bauer. Vor den Peronistischen floh die Familie 1950 schließlich zurück nach Tossa de Mar, wo Zügel im Jahr 1968 starb.

Zügel ist zweifellos ein vergessener Vater der Moderne, das belegen seine Bilder. Zunächst malte er Porträts im Stil der "Neuen Sachlichkeit", Mitte der 20er Jahre wandte er sich unter dem Einfluss seiner Künstlerfreunde wie Braque und Picasso dem Kubismus zu. In der Kiste hinter der Heizung befand sich neben anderen Werken auch sein Bild "Der Propagandaminister" von 1933. Es ist ein kubistisches Gemälde, das Joseph Goebbels zeigt. Zügel stellt dessen rechten Fuß als Huf dar, was eine Anspielung sowohl auf Goebbels Klumpfuß als auch auf das Teuflische ist. Oscar Zügel hat ihn außerdem mit zwei Genitalien gemalt, deswegen trägt das Gemälde auch den Titel "Der Bock von Babelsberg".

Die violette Farbpalette ist ebenfalls eine Provokation. "Die seltene Farbe violett symbolisierte für Zügel das Böse", erklärt Jessewitsch. Das Schachbrettmuster ist ein wiederkehrendes Symbol in Zügels Werken und steht auch für die Willkür des Machtapparats, der Menschen wie Spielfiguren behandelt.

"Oscar Zügel ist ein Künstler, der Kubismus mit Gesellschaftskritik verbindet", sagt Jessewitsch. Er möchte gegen das Vergessen angehen. "Sonst hätten die Nazis ihr Ziel erreicht."

Info Öffnungszeiten dienstags bis sonntags 10-17 Uhr. Adresse: Wuppertaler Straße 160 in Solingen

(RP)
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