Informationen unter Verschluss gehalten Bundesanwaltschaft im Fall Amri unter Druck

Düsseldorf · Laut einem internen Aktenvermerk aus der NRW-Staatskanzlei hielt der oberste deutsche Ankläger Informationen unter Verschluss, um verdeckte Ermittlungen und einen V-Mann nicht zu gefährden.

 Generalbundesanwalt Peter Frank am Freitag im Düsseldorfer Landtag.

Generalbundesanwalt Peter Frank am Freitag im Düsseldorfer Landtag.

Foto: dpa, fg sab

Im Fall des Weihnachtsmarktattentäters Anis Amri ist Generalbundesanwalt Peter Frank unter Rechtfertigungsdruck geraten. Einem internen Aktenvermerk zufolge, der unserer Redaktion vorliegt, hielt die Bundesanwaltschaft mit Rücksicht auf ein verdeckt laufendes Ermittlungsverfahren und die dort eingesetzte Vertrauensperson "VP01" Informationen zeitweise unter Verschluss.

Zu jener Zeit war Amri gerade in Friedrichshafen wegen gefälschter Pässe von der Bundespolizei festgenommen worden. Das wäre womöglich eine Chance gewesen, einen Haftbefehl gegen ihn zu erwirken und das Attentat zu verhindern.

In dem Aktenvermerk, der am Freitag auch Thema im Düsseldorfer Untersuchungsausschuss zum Fall Amri war und in dem es um eine Rücksprache des Landeskriminalamts (LKA) NRW mit der Bundesanwaltschaft geht, heißt es: "Die sofortige Offenlegung wesentlicher Verfahrensbestandteile zu diesem Zeitpunkt hätte eine Enttarnung und erhebliche Gefährdung der Person der VP und des Ermittlungserfolges (...) verursacht." Und weiter: "Eine Offenlegung sensibler Verfahrensbestandteile war zu diesem Zeitpunkt daher ohne gravierende Gefährdung/Auswirkung auf andere Ermittlungsverfahren und eine mögliche Gefährdung der VP nicht möglich gewesen." Diese Formulierung wurde dem Aktenvermerk der NRW-Staatskanzlei zufolge zwischen LKA und Generalbundesanwaltschaft abgestimmt.

"Diese Sprachregelung ist mir bislang unbekannt"

Der Generalbundesanwalt wusste am Freitag bei seiner Zeugenvernehmung im Untersuchungsausschuss nichts von diesem Vermerk: "Diese Sprachregelung ist mir bislang unbekannt." Er könne nicht verifizieren, dass es eine solche Absprache gegeben habe. Er sei aber bereit, das mit seinen Mitarbeitern zu klären und dem Ausschuss-Vorsitzenden dann mitzuteilen.

Ob die Ermittlungsergebnisse damals insgesamt für einen Haftbefehl gereicht hätten, wollte der Generalbundesanwalt nicht beurteilen: "Das maße ich mir nicht an, ich kenne die damalige Aktenlage nicht." Das LKA wollte sich am Freitag zu dem Vermerk nicht äußern. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Ravensburg stellte das Verfahren gegen Amri später ein, er wurde freigelassen.

Wie aus dem Aktenvermerk weiter hervorgeht, hatte die Vertrauensperson (VP) eine zentrale Schlüsselrolle mit Bezug zu mehreren anderen sensiblen Ermittlungsverfahren in drei verschiedenen Bundesländern. Zu jenem Zeitpunkt war demnach gerade ein Kontakt zu einer Gruppe geknüpft worden, über die ein Ankauf von Kriegswaffen in Aussicht stand. Dabei handelte es sich dem Vermerk zufolge um "EK Ventum", ein groß angelegtes Ermittlungsverfahren gegen die islamistische Zelle des am Ende verhafteten Predigers Abu Walaa, der junge Leute als Kämpfer des IS angeworben haben soll.

"Wir wollen wissen, ob NRW im Juli und August 2016 überhaupt nach Freigabe der notwendigen Akten gefragt hat", sagte Joachim Stamp, der Vizechef der FDP-Landtagsfraktion. Zudem wolle er wissen, warum es eine gemeinsame Sprachregelung mit der Generalbundesanwalt geben sollte.

Im Zusammenhang mit einer möglichen Abschiebung Amris nach dem Aufenthaltsgesetz spielte Frank den Ball an die NRW-Behörden zurück: "Ich hätte einen Weg gefunden, diese Akten freizugeben." Er sei aber gar nicht gefragt worden. Damit widersprach er dem von der Landesregierung eingesetzten Gutachter Bernhard Kretschmer, der erklärt hatte, der Generalbundesanwaltschaft habe die Erkenntnisse nicht freigeben wollen.

(RP)
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