Bettler-Leitfaden Geb' ich mal 'nen Euro?

Düsseldorf/Köln · Ist die wirklich arm oder tut sie nur so? Kauft er sich davon Drogen? Ob man einem Obdachlosen Geld gibt oder nicht, ist so eine Sache. Die Kölner Caritas hat nun einen Leitfaden zum Umgang mit Bettlern veröffentlicht.

Man sieht sie an Einkaufsstraßen, vor Bahnhöfen und Supermärkten, auf Parkbänken: Bettler und Obdachlose gehören zum Bild vieler deutscher Städte. So auch in Köln. Hier leben laut Schätzungen der Caritas zwischen 3000 und 5000 Menschen auf der Straße. Viele von ihnen sammeln Pfandflaschen oder betteln, machen Straßenmusik oder verkaufen Obdachlosenzeitungen, um an Geld zu kommen.

Wie man mit ihnen und mit Armut generell umgehen sollte, dazu hat die Caritas jetzt einen Leitfaden herausgegeben. Er liegt in sozialen Einrichtungen und Kirchen in Köln aus, und es gibt ihn als pdf-Download im Netz. "Betteln ist eine sichtbare Form der Armut und Ausdruck einer extremen Notlage", heißt es in der Broschüre. Das sei für viele Menschen schwer auszuhalten und löse unterschiedliche Gefühle aus - von Mitgefühl über Unverständnis bis hin zu Ekel oder Aggression.

Dazu kommen die drängenden Fragen: Soll ich diesem Bettler Geld geben? Wenn ja, wie viel? Ist seine Not echt? Tut es nicht auch ein Brötchen?

Diese Argumente und Entscheidungshilfen gibt die Caritas:

  1. Soll man bettelnden Menschen überhaupt Geld geben? "Warum nicht?", heißt es hierzu in dem Leitfaden. "Auch auf die Gefahr hin, dass der bettelnde Mensch Alkohol oder andere Suchtmittel kauft und nicht etwas zu essen, so wie ich es mir vorstelle." Menschen, die auf der Straße leben, hätten oft Suchtprobleme - ein kalter Entzug könne im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein.
  2. Wie viel soll ich geben? Das muss laut Caritas jeder selbst entscheiden: "Die Frage ist eher, was kann ich mir von meinen Möglichkeiten her leisten und was mit meinem Gewissen vereinbaren." Meistens gebe man so viel, dass es einem selber nicht weh tue. "Fakt ist: Die Menschen auf der Straße brauchen Hilfe. Ich darf mich daher fragen, ob ich nicht großherziger sein könnte", schreibt die Caritas.
  3. Wäre eine Sachspende - ein Kaffee, ein Brötchen - nicht sinnvoller? Was der bettelnde Mensch mit dem Geld macht, sollte man ihm überlassen und ihn nicht bevormunden. Die Caritas rät, es als Geschenk zu betrachten und zu akzeptieren, dass man meistens nicht erfahren wird, was damit passiert. Zwar erschienen ein belegtes Brötchen oder ein Getränk vielen Menschen sinnvoller als Geldspenden: "Was aber, wenn es der zehnte Kaffee und das sechste Brötchen an diesem Tag ist?", gibt die Caritas zu bedenken.
  4. Geld geben ist mir trotzdem nicht geheuer - was mache ich dann? Wer kein Geld spenden möchte, kann stattdessen den bettelnden Menschen fragen, was er brauchen könnte - einen Schal, einen Einwegrasierer, etwas zu essen. Auch ein freundlicher Blick, ein Gruß oder ein paar Worte drücken laut Caritas Wertschätzung aus und können mindestens so wertvoll sein wie eine achtlos dahingeworfene Münze. Eine Alternative sei auch, an gemeinnützige Einrichtungen und Vereine zu spenden.
  5. Was, wenn der Bettler gar nicht arm ist? Das Risiko besteht, gibt die Caritas zu. Sie betont aber, wie verbreitet Armut auch hierzulande ist. Die Menschen sollten das von folgender Seite betrachten: "Wenn ich zehn Menschen etwas spende und darunter ist einer kriminell, kann ich mit dieser Quote vielleicht ganz gut leben." Gerade Menschen aus Südosteuropa würden von vielen einer "Bettelmafia" zugeordnet. Die Caritas stellt hierzu eine Gegenfrage: "Mal ehrlich: Sieht die bei Wind und Wetter auf der Domplatte sitzende Bettlerin osteuropäischen Einschlags im offenbar erbarmungswürdigen Zustand, mit dem Becher in der Hand und dem nach unten gerichteten Blick, wie eine Gewinnerin aus?"
  6. Muss in Deutschland überhaupt jemand betteln - sind Bettler also nicht selber schuld? Dass in Deutschland niemand auf der Straße leben muss, treffe in der Theorie zu, so die Caritas. Die Realität sehe anders aus, Gründe für Obdachlosigkeit gebe es viele. So hätten unzählige Menschen auf der Straße weder Ausweis noch Geburtsurkunde, ohne die bei Behörden nichts gehe. Oft kämen viele Schicksalsschläge zusammen: Jobverlust, Trennung, Gewalterfahrungen. Viele Obdachlose seien krank, hätten Sucht- oder psychische Probleme - und seien schlichtweg nicht in der Lage, sich selbst zu helfen.
(oko)
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