Dinslaken "Schwere Angriffe auf das Asylgrundrecht"

Dinslaken · Der frühere Flüchtlingspfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Dinslaken, Gerhard Greiner, nahm in seinem Vortrag kein Blatt vor den Mund und kritisierte die Bundesregierung.

 Der Vortrag von Gerhard Greiner im Evangelischen Gemeindehaus an der Duisburger Straße in Dinslaken stieß auf große Resonanz.

Der Vortrag von Gerhard Greiner im Evangelischen Gemeindehaus an der Duisburger Straße in Dinslaken stieß auf große Resonanz.

Foto: Lars Fröhlich

Das Thema Flüchtlingspolitik birgt derzeit eine Menge Sprengstoff. Dem begegnete der frühere Flüchtlingspfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Dinslaken, Gerhard Greiner, in seinem Vortrag im Evangelischen Gemeindehaus an der Duisburger Straße mit einer faktenreichen und detaillierten Analyse. Erst der Tod von über 1200 Menschen im Mittelmeer führte im April 2015 zum 1. europäischen Flüchtlingsgipfel. Infolge dieses Gipfels entwickelte die Europäische Kommission die vor allem von Deutschland eingebrachte Idee eines Verteilsystems auf Quotenbasis für Asylantragstellende in der EU, da das bisherige Dublinsystem zusammengebrochen ist.

"Ein Quotensystem einzuführen, ist aus meiner Sicht der intelligente Versuch, aus dem Versagen des Dublinsystems die Konsequenzen zu ziehen", sagte Greiner. "Allerdings sollte dieser Ansatz mit den Wünschen der Flüchtlinge kombiniert werden", fuhr er fort. Doch bis heute ist keine Einigung in Sicht. Greiner zitierte den EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz: "Europa steht am Abgrund. Wir drohen auseinanderzubrechen. Manche in Europa versuchen, auf ein globales Problem nicht gemeinsam als Ganzes zu antworten, sondern sich auf nationale Lösungen zurückzuziehen."

So klar Greiner die Position der Bundeskanzlerin in Sachen EU-Quotenregelung in großen Teilen befürwortet, so klar erteilte er der Zusammenarbeit mit der Türkei und dem innenpolitischen Vorgehen der Bundesregierung eine Absage. Greiner, der durch seine 21-jährige Tätigkeit als Flüchtlingspfarrer über genaue Kenntnisse im Bereich der Asylgesetzgebung verfügt, sieht in den von der Bundesregierung verabschiedeten Asylpaketen I und II schwere Angriffe auf das Asylgrundrecht: Er schloss sich den Beschlüssen der Landesynode der Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) von Januar 2016 an, wo es heißt: "Eine Unterscheidung in ,gute und schlechte' Flüchtlinge, in Flüchtlinge mit und ohne Bleibeperspektive kann nicht die Grundlage des christlichen Engagements sein. Das christliche Menschenbild verpflichtet uns, in jedem Menschen ein Geschöpf Gottes mit gleicher Würde zu sehen." Mit dieser Unterscheidung werde Rechtsstaatlichkeit abgebaut, so Greiner, weil nicht mehr ein rechtsstaatliches Verfahren, wo der Einzelne im Mittelpunkt stehe, Grundlage der Asylentscheidung sei.

Abschließend wagte er eine Prognose, was passieren wird, wenn Europa versagt: "Die Flüchtlinge werden sich andere, noch gefährlichere Wege nach Europa suchen. Und die Zahl der Toten an den EU-Außengrenzen wird steigen. Das ist schlichter Realismus." Und er erinnerte an eine Aussage von Manfred Rekowski, dem Präses der EKiR auf der Landessynode: "Diese Haltung unterscheidet sich in nichts von unverantwortlicher Untätigkeit und kommt schuldhaft unterlassener Hilfeleistung gleich."

In der Diskussion verdeutlichte der Moderator des Abends, Superintendent Friedhelm Waldhausen, den Hintergrund für die kirchliche Positionierung: "Das Thema Flucht ist in unserer Glaubensgeschichte durch die biblischen Schriften fest verankert. Darum ist es unsere Aufgabe, heute klar Stellung zu beziehen."

(RP)
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