Düsseldorf Die Neuvermessung des Menschen

Düsseldorf · Der große Blonde auf dem so betitelten Gemälde steht da wie ein erstarrter Cowboy. Horst Münch hat ihn in einen schrägen blau getönten Ausschnitt gesetzt.Der Hut ist nicht zu verwechseln mit einem Heiligenschein. Keinesfalls. Der Mann wird ein Amerikaner sein, und mutmaßlich ist er eine Statue der Moderne. Wenig Regung, noch weniger Zugewandtheit. Ihm zu Füßen kratzt ein ganz Armseliger am Hosenbein. Vielleicht ist es ein Flüchtling, nackt, hilflos. Afghane oder Syrer.

 Horst Münch: "Der große Blonde", Acryl auf Leinwand, 2015.

Horst Münch: "Der große Blonde", Acryl auf Leinwand, 2015.

Foto: Galerie

Der Nürnberger Künstler hat neue Menschenbilder entworfen und gemalt. Seit 20 Jahren nimmt er immer mehr in seinem Werk Bezug auf die Gesellschaft, auf Politik und das Zusammenleben, die Koexistenz in der Welt. Münch ist einer, der den Eurozentrismus in Frage stellt. In Düsseldorf, wo er bei Alfonso Hüppi studiert hat und seine frühe künstlerische Prägung erworben hat, stellt ihn jetzt wieder Galerist Hans Strelow aus. Es ist die zwölfte Schau in einem Zeitraum von 33 Jahren. Strelow hält viel von ihm.

Die anderen Menschen, die Münch in großen und auch kleineren Formaten zusammensetzt, sind selten so, wie man sich sie vorstellt, sie sind rätselhaft in die Horizontale gelegt, manchmal fehlt ihnen ein Körperteil, sie scheinen zu fliegen oder zu schweben im schräg geteilten Raum, der Hölle und Himmel in die Farben der Kardinäle hüllt. Manchmal bleibt vom Mensch auch nur der Kopf - eine weiche verbogene Form mit vielen Ausstülpungen und drei Augen. Bei den Nasenlöchern denkt man an ein Ferkel, auch die Tönung deutet das an. Entsetzen liest man in solchen Gemälden und findet sie doch faszinierend.

Münch geht einzelgängerisch und unbeirrt vor. Er spürt in seinen frischen Gemälden der allgemeinen Unsicherheit, der Verunsicherung des Individuums nach. Womöglich verleiht eigener Leidensdruck den Bildern ihren Nachdruck. Doch sie bedrängen den Betrachter nicht. Dafür sind sie zu edel und autonom. Die Tafeln - seien es Weltenbühnen mit ihrem Personal oder die in Traumata gefangenen Gestalten - sind in der Gänze als Metaphern zu lesen. Die Schau berichtet von einer Vermessung des Menschen durch einen sensiblen Künstler, der genial mit Farbe umgeht, Präzision walten lässt und Pathos ausschließt.

Info Bis 20. Februar in der Galerie von Hans Strelow, Luegplatz 3.

(RP)
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