Düsseldorf "Ich bin kein Selfie-König"

Düsseldorf · Die ersten 100 Tage von Alain Bieber im Amt als Direktor des NRW-Forums Düsseldorf sind um. Bald zeigt er seine erste Ausstellung.

 "Omnia sunt communia" hat der neue Chef im NRW-Forum auf dem rechten Arm eintätowiert. Alles gehört allen, sagt Alain Bieber (36), auch die Kunst.

"Omnia sunt communia" hat der neue Chef im NRW-Forum auf dem rechten Arm eintätowiert. Alles gehört allen, sagt Alain Bieber (36), auch die Kunst.

Foto: A. endermann

Alain Bieber hat wenig Zeit. Alles ist sehr stressig, seit er Direktor des NRW-Forums Düsseldorf ist. Und er kann schlecht nein sagen. Treffpunkt ist die Ehrenhof-Terrasse, Mate-Limonade sein Lieblingsgetränk. Eben war noch Gregor Schneider da, der für seine ungewöhnlichen Raumarbeiten bekannte Künstler aus Rheydt, den Bieber gerne für eine Ausstellung gewinnen würde. Netzwerken und Kommunikation sind unabdingbar für seine Arbeit. Nicht nur methodisch, sondern auch inhaltlich betrachtet.

Auf Facebook ist er derzeit noch präsenter als bei den Menschen in der Stadt. 3554 Freunde hat Bieber, sehr viele aus dem Kunstbetrieb. Bieber posiert in seinem FB-Profil mit einer puscheligen Katze auf dem Arm. Eigentlich ist es ein schönes Bild, das ihm trotzdem herbe Kommentare einbrachte. Ob er ein Narziss sei, wurde er gefragt, was er verneint. Das Gegenteil sei der Fall. "Ich bin auch keine Rampensau. Ich will vielmehr die Kunst und Künstler auf die Rampe heben."

Was auf seinem rechten Unterarm steht, will ich wissen, und warum er sich hat tätowieren lassen. Eine Künstlerin habe ihm vor einigen Jahren das Tattoo gestochen, ihm gehe es um den Inhalt, ein Arschgeweih wollte er nicht haben. "Omnia sunt communia" trägt er nun auf ewig bei sich als eine Art Credo. Es waren die letzten Worte des Mystikers Thomas Müntzer, bevor er an den Galgen kam. Bieber teilt die Überzeugung, dass alles allen gehöre in der Welt, besonders die Kunst. Der Spruch habe ihn seit Jahrzehnten begleitet, er stehe auch für seine proletarischen Wurzeln. Die Kultur habe man ihm nicht in die Wiege gelegt, er habe sich alles hart erarbeiten müssen, sagt er. "Ich bin ein Kulturarbeiter".

Die Erwartungen den noch jungen Direktor in dem zum städtischen Kunsthaus ohne Landesmittel umgewidmeten Ausstellungsort sind groß. Sein Vorgänger Werner Lippert hat internationale Maßstäbe gesetzt, auch mit den Besucherzahlen. 60 000 Menschen haben alleine Lipperts Ausstellung mit Fotoarbeiten von Bryan Adams besucht. Das war ein Rekord. Bieber will noch mehr. In seinen Vorstellungsrunden hat er 100 000 Besucher pro Jahr versprochen. Dabei will er kein Quotenkönig sein. "Man muss einfach auf die Menschen zugehen."

Zielgruppenorientiertes Arbeiten nennt er als Strategie. Er will Themen aufgreifen, die im Netz relevant sind, und will sie mit realen Personen in die Ausstellungswelt übersetzen, Happenings aus dem Netz an Orte und in Räume überführen, die man aufsuchen kann. Bieber will gesellschaftliche Phänomene anschauen und die Reaktion der Künstler dazu abfragen. Das kann ein YouTube-Festival sein, oder es können Performances sein, die Spaß machen, ohne dass man ihnen das Etikett Spaßkultur anheftet.

Kunst schillert bei Alain Bieber in einem unbegrenzten Spektrum von Formaten, die sich an der digitalen Erlebniswelt der Menschen orientieren. Dabei fallen der Tradition verhaftete Künstler nicht durch den Rost. Wenn er aber solche einlädt, dann würden deren Arbeiten gemixt mit aktuellen Trends. Es wird im NRW-Forum beim Schwerpunkt Fotografie bleiben, doch immer unter dem Aspekt des Weiterdrehs. Bieber nennt das Post-Fotografie. Sein Haus versteht er als Ideenfabrik, die vernetzt mit anderen Künsten und Kollegen Ideen entwickelt. "Ich will Lipperts Zeitgeist in die Moderne überführen."

Die erste Nagelprobe wird die erste Ausstellung sein, die er selbst verantwortet. "Ego Update" zeigt ab dem 19. September Selfies. Allein 100 Selfies von Füßen werden auf einer als Plattform dienenden Rampe montiert. Die Folgeprojekte sind wieder anderen Phänomenen gewidmet. "Ich bin kein Selfie-König", sagt Bieber und lacht endlich mal.

Im Gespräch gewinnt man den Eindruck, dass er um Ideen nicht verlegen und gut angekommen ist in der Stadt, die seiner Meinung nach über die Landesgrenzen hinaus an Renommee zulegen müsste. Die ersten 100 Tage als Direktor des NRW-Forums sind arbeitsam verstrichen, Ausstellungen bis 2017 geplant, die neue Website und das neue CI in Arbeit. Er hat ein kleines Team und ein Ausstellungsbudget von nur 100 000 Euro im Jahr. Das ist nicht die Welt gemessen daran, dass Alain Bieber die ganze neue Welt in den Ehrenhof einziehen lassen will.

(RP)
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