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Düsseldorf "Ich schaue immer in die Seele eines Menschen"

Düsseldorf · Jana Schulz gastiert im Ensemble des Schauspielhauses, derzeit als Medea. Schon als Kind wollte sie nichts anderes als ins Theater.

 Die Frau, die ihre Kinder umbringt: Als Medea ist die Schauspielerin Jana Schulz derzeit im Düsseldorfer Schauspielhaus zu erleben.

Die Frau, die ihre Kinder umbringt: Als Medea ist die Schauspielerin Jana Schulz derzeit im Düsseldorfer Schauspielhaus zu erleben.

Foto: Thomas Rabsch

Es war mal wieder so weit. "Schulz, wir müssen reden", sagte Roger Vontobel zu Jana Schulz.

Der Regisseur und die Schauspielerin sind seit gemeinsamen Studientagen im Hamburg befreundet, er nennt sie stets beim Nachnamen. Gemeinsam haben sie eine Serie großartiger Stücke gestemmt, zumeist am Hamburger Schauspielhaus und in Bochum. Sie immer in den wuchtigen Frauenrollen, in "Käthchen von Heilbronn" (2009), "Penthesilea" (2010), als Kriemhild in den "Nibelungen" (2013), Hedda Gabler (2014) oder Rose Bernd (2015). Nun hatte er eine neue Rolle für sie im Visier: die "Medea" am Düsseldorfer Schauspielhaus.

Und wieder vertraute sie ihm. "Roger sieht mich in manchen Frauenfiguren, bevor ich selber soweit bin", sagt sie. "Doch irgendwann beginnt die Welt um sie auch für mich komplexer zu werden." Und gleich bei ihrem Hamburger Erstling "(fi´lo:tas)", noch während des Studiums, hatte sie das Gefühl, Roger Vontobel schon ewig zu kennen. "Es war, als hätten wir uns gefunden", erinnert sie sich. "Wir stellen die gleichen Fragen ans Leben, suchen mit der gleichen Intensität nach Antworten. Dabei leben wir ganz unterschiedlich. Er hat Familie, ich bin eine Einzelgängerin."

Bei der "Medea" habe sie lange darüber nachgedacht, ob sie zur richtigen Zeit komme oder schon ein wenig zu spät. "Ich entdecke gerade meine weiche Seite und lege das Kämpferische etwas ab. Das hat mit der Entwicklung meiner Persönlichkeit zu tun. Aber", schränkt sie ein, "Medea ist ja auch nicht nur hart. Die Herausforderung in der Interpretation sehe ich eher darin, wo man dieses Absichtsvolle spürt, diesen furchtbaren Entschluss, ihre Kinder zu töten." Im Grunde, sagt sie, sei diese Figur für sie unbefriedigend. "Warum kann ich diesen Menschen nicht besser lesen?", grübelt sie. "Das beschäftigt mich. Ich weiß nicht genau, wann Medeas mörderischer Plan reift. Schwer zu sagen, was an ihr echt ist und was nicht."

Dies im Laufe ihres Düsseldorfer Gastspiels herauszufinden, hält sie für wahrscheinlich. Aus Erfahrung. Mit den Zuschauern vor Augen verändere sich die Rolle sowieso. "Das sind für mich wichtige Ansprechpartner, fast Komplizen", beteuert sie. Hätte es etwas geben können, das Medea von ihrem schauerlichen Tun abhält? Jana Schulz schaut auf und lächelt. Kurz zögert sie, dann erzählt sie von einer Vision, die sie beim Meditieren plötzlich vor Augen hatte: "Ich sah, wie die Kinder noch lebten. Die Mutter brachte die Morde nicht übers Herz. Das wäre eine mögliche Schlussvariante gewesen, die mir sogar gefallen hätte." Immerhin: Im Stück sieht man die kleinen Leichen nicht. Hand in Hand verlassen Medeas Knaben die Bühne.

Eines gilt für alle Arbeiten von Jana Schulz: "Manipulativ spielen, das kann ich nicht. Ich muss immer authentisch sein." Ihre fulminanten Männerrollen unter der Regie von Karin Henkel erregten großes Aufsehen: In München war es "Macbeth" (2011), in Hamburg der Tellheim in "Minna von Barnhelm" (2007). Für sie bedeuteten diese hoch gelobten Verwandlungen nichts Außergewöhnliches. "Wenn ich eine männliche Figur darstelle, habe ich nie das Gefühl, ich müsse sie spielen", erklärt sie. "Ich bin dann ganz nah bei mir. Eine Frau, womöglich noch mit sehr weiblichen Attributen, ist mir fremder. Da komme ich mir oft künstlich vor." Der Schlüssel dazu sei vermutlich ein einschneidendes Erlebnis in ihrer frühen Kindheit. "Ich habe dieses Bild damals fest in mir verankert und mich von allem abgekapselt. Meine kantigen Seiten nach außen zu kehren, war reiner Selbstschutz. Ich wollte nie weiblich wirken, und doch trage ich die Verknüpfung in mir." Bei ihren Rollen komme es ihr nur auf den jeweiligen Charakter an, nicht auf das Geschlecht: "Das ist mir egal, weil ich immer in die Seele eines Menschen schaue."

Jana Schulz, geboren 1977, wuchs in Bielefeld auf. Ihr Vater war Tischler und Heilpraktiker, die Mutter Ärztin. Von Kind an wollte das Mädchen nichts als spielen: "Es war ein Bedürfnis meiner Seele. Sie hat sich diesen Weg gesucht und mich damit gerettet. Im Theater fällt alles Verschlossene von mir ab." Nach der Vorstellung zieht sie sich jedoch gern wieder zurück. Selbst bei Premieren. "Ich mag es nicht, präsentiert zu werden. Die Emotionen beim Spielen kosten so viel Kraft. Es wird aber auch etwas freigesetzt. Im Beisein anderer Menschen kann ich das nicht richtig empfinden und wertschätzen. Das geht nur mit mir allein."

(RP)
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