Düsseldorf Innigere Freunde hat Dirigent Neville Marriner nirgendwo

Düsseldorf · Am Ende war es Rührung. Sir Neville Marriner, der große, alte Mann am Pult der Academy of St Martin in the Fields, musste sich einige Tränchen aus den Augenwinkeln streichen, nachdem nun auch Dvořáks Kehraus der 8. Sinfonie so wunderbar geklungen hatte und das Publikum in der Tonhalle einmütig aufgestanden war, ihm zu applaudieren.

Ja, wenn man 91 ist, sieht das Leben anders aus: Schöpferkraft ist ein Geschenk, der Augenblick des Gelingens pures Glück. Und eine so freundschaftliche Verbundenheit wie zum Düsseldorfer Publikum wird Sir Neville auch nicht überall auf der Welt spüren. Der sonst eher zurückhaltende Mann winkte leutselig schon zum Anfangsapplaus ins Rund, nach der irisch melancholischen Zugabe war ein Großteil der Academy den Tränen nah.

Marriner hatte Elgar und Dvořák mit ins Heinersdorff-Meisterkonzert gebracht. Elgar kommt von elegisch. Das bewies zunächst "Introduktion und Allegro" des Jahrhundertwende-Meisters von der Insel, das in für seine Zeit süffigen Harmonien einerseits die Satzkunst des Barock herbeizitiert, andererseits eine neue Idee von Konzertieren verwirklicht. Hier tritt ein Streichquartett in einen Concerto-grosso-haften Dialog mit dem romantisch besetzten Orchester-Klangkörper.

Später, im Cellokonzert, spielt das Soloinstrument weniger eine virtuose denn eine zu rhapsodischer Melancholie neigende Rolle. Als "Rising star" sitzt die niederländische Cellistin Harriet Krijgh auf dem Podium. Ihr Cello bringt sie ungemein zärtlich zum lyrischen Klingen. Das Vibrato: ein Traum. Für das Elgar-Konzert bräuchte sie ein voluminöseres Instrument, dann könnte sie sich die manierierten Attacken mit der Bogenhand sparen. Sie macht einen ernsthaften, souveränen Eindruck. Eine Zugabe gibt sie nicht.

Mit Dvořáks 8. Sinfonie begibt sich die Academy an der Hand ihres Leiters ebenfalls auf groß-sinfonisches Terrain. Für ein Kammerorchester ist das gefährlich, fürs Publikum kann das bisweilen beseligend sein. Jedenfalls wenn mit Marriner jemand am Pult steht, der schier endlose Bögen spannt, sicher immerzu wechselnden Tempi gebietet und einen sehr transparenten, dabei emotional aufgeladenen Orchesterklang anstrebt.

Die Düsseldorfer Freunde zeigten sich ergriffen.

(RP)
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