Düsseldorf Liebes Christkind, bring' mir Würstchen

Düsseldorf · Unsere Autorin hat einen Wunschzettel aus ihrer Kindheit gefunden. Sie wollte keine Puppen, sie wünschte sich Essen.

 Mit ihren Wunschzetteln hat Julia Brabeck ihre Eltern immer zum Lachen gebracht.

Mit ihren Wunschzetteln hat Julia Brabeck ihre Eltern immer zum Lachen gebracht.

Foto: H.-J. bauer

Ich muss wohl zehn oder elf Jahre alt gewesen sein, als ich diesen Wunschzettel auf die Fensterbank meines Kinderzimmers legte, wohlwissend, dass es zwar kein Christkind gibt, aber es von Vorteil ist, seine Wünsche klar zu formulieren. Heute muss ich über die Wunsch-Aufzählung schmunzeln, liest sie sich doch wie eine Einkaufsliste für einen Supermarktbesuch. Bis auf eine Gießkanne, Siegellack (den ich bis heute besitze) und einen Papierkorb befinden sich nur Lebensmittel - und das sind nicht nur Süßigkeiten - auf dem Wunschzettel.

 Chips, Popcorn, Gummibärchen - ein wirklich ausgefallener Wunschzettel einer Zehnjährigen.

Chips, Popcorn, Gummibärchen - ein wirklich ausgefallener Wunschzettel einer Zehnjährigen.

Foto: Julia Brabeck

Doch warum hatte ich so ein Verlangen nach zwei Dosen Würstchen, Traubensaft, Dosenfrüchten und zwei Schachteln Mandeln? Auf die Liste schrieb ich außerdem zwei Schachteln Kellogg's, nicht die klassischen Cornflakes, sondern die mit Honig. Fest steht jedenfalls: Ich war kein hungerndes und darbendes Nachkriegskind, und satt bin ich daheim immer geworden. Mein Vater, der im Krieg schlimm Hunger gelitten hat, hat uns Kinder sicher geprägt. Lebensmittel wurden bei uns nie weggeworfen, Brote sparsam belegt und Restaurants nur höchst selten besucht. Zu einem besonderen Anlass. Dennoch hatten meine drei älteren Geschwister für damalige Jugendliche ganz normale Wunschzettel, auf denen zum Beispiel Schallplatten, ein besonderes Kleidungsstück, Schminke, Bücher oder Spiele standen.

Warum das bei mir nicht so war, das kann selbst meine Mutter nicht erklären. Sie hätte mit meinem Vater immer schallend gelacht, wenn sie die Schreiben von der Fensterbank eingesammelten. Das "immer" zeigt mir zumindest, dass der Wunsch nach Essbarem nicht einmalig war, ich es einfach geliebt habe, nicht teilen zu müssen und individuell die Mahlzeiten ergänzen zu können, wie der Wunsch nach drei Gutscheinen, damit ich abends Suppen kochen durfte. Zudem habe ich es genossen, wenn sich meine Geschwister dann um mich bemühten, um an den zusätzlichen Köstlichkeiten, die es für mich waren, teilzuhaben.

So kurios sich mein Wunschzettel aus der Kindheit auch liest - in 40 Jahren habe ich mich eigentlich nur wenig verändert. Die Qualitätsansprüche sind zwar gestiegen, Früchte und Würstchen müssen nicht mehr aus der Dose kommen. Aber die Lust am Essen, die Freude an einer gefüllten Speisekammer sind geblieben. Ich gebe es zu: Als ich letztes Jahr von Freunden und Familie nach meinen Wünschen gefragt wurde, habe ich eine Herrentorte, viele verschiedene Senfsorten, guten Tee und Grappa genannt - und bekommen. Und ich gehe davon aus, dass der Adventskalender, den meine Schwester in diesem Jahr für mich gebastelt hat, wieder gefüllt ist mit Gummibärchen und Bonbons. Schließlich kennt sie meine Wünsche von klein auf und hat auch immer ein bisschen profitiert von meinen Geschenken.

(brab)
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