Analyse Machtfaktor Türkontrolle

Düsseldorf · Sie wurden verboten, gründeten einen neuen Verband, den lösten sie auf. Trotzdem haben die Hell's Angels Düsseldorf nie aufgehört zu existieren. Am häufigsten tauchen sie in der Altstadt auf.

Rocker in NRW: Die Chronik der Gewalt
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Rocker in der Region – Chronik der Gewalt

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Foto: dpa, Fredrik von Erichsen

"Die tun doch nix", ist die wohl gefährlichste Fehleinschätzung, die es gegenüber Rockerbanden gibt, ob sie nun Hell's Angels oder Bandidos oder Red Devils heißen. Dass in Düsseldorf dieser Eindruck durchaus verbreitet ist, mag daran liegen, dass zwar allgemein bekannt ist, dass vor allem Hell's Angels in der Altstadt Geschäfte machen, es aber blutige Auseinandersetzungen rivalisierender Gruppen, wie sie etwa aus Duisburg gemeldet werden, in Düsseldorf bislang nicht gab.

Spätestens nun, da Schüsse gefallen sind, muss jeder einsehen, dass die Altstadt nicht die Insel der rockerfreien Glückseligkeit ist. Und dass die Rocker bereit sind, mit größter Gewalt auch hier zu verteidigen, was sie für ihr Territorium halten. Dabei geht es um Macht und vor allem auch um Geld. Die Türen der gutgehenden Partylokale in der Altstadt sind dabei ein wichtiger Faktor. Wer die Tür kontrolliert, hat nicht nur die Hoheit über den Drogenhandel im Lokal - er hat auch den Wirt in der Hand. Wenn ein Türsteher nicht dessen Interessen vertritt, kann er einen Laden an den Ruin bringen - und einem Kameraden zum günstigen Kauf verhelfen.

Auch deshalb ist die Sicherheitsbranche für Rocker so interessant. Der Übergang zwischen Security und Schutzgeld ist schwer auszumachen. So soll es zur gängigen Praxis gehören, eine clubnahe Firma auf die Lohnliste eines Wirts zu setzen, der fortan "Mitarbeiter" bezahlt, die er niemals sieht - es sei denn, er würde aufhören zu zahlen. In den für Organisierte Kriminalität zuständigen Dezernaten der Polizei kennt man die Methode, aber nur wenige Opfer. Die melden sich sehr selten bei den Behörden - die Einschüchterung, die im Wesen der Schutzgelderpressung liegt, funktioniert offensichtlich.

Schutzgeld, Drogenhandel, Prostitution - Rocker mischen überall mit, wo Straftaten gewerbsmäßig und organisiert begangen werden. 70 Prozent der Gewaltstraftaten in diesem Bereich wurden 2013 deutschlandweit von Rockern begangen. In wenigstens drei Fällen von Menschenhandel und Zwangsprostitution in NRW wurde voriges Jahr gegen Rocker ermittelt, jedes achte Verfahren gegen Organisierte Kriminalität in Deutschland richtete sich gegen die Clubs, die mit Easy-Rider-Romantik und Motorradfahren so gar nichts zu tun haben.

Rocker: Großeinsatz der Polizei in Düsseldorf
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Polizei-Großeinsatz wegen vermutetem Rockertreffen

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In Düsseldorf versammelten sich Hell's Angels regelmäßig, um bei Rundgängen durch die Altstadt ihre Macht zu demonstrieren. Seit ihr Ortsverein 2001 als kriminelle Vereinigung verboten wurde, spazierten sie als "Charter Midland", das sich selbst auflöste. Seit im Sommer Kutten und Symbole verboten wurden, haben die Rundgänge an Wirkung verloren. Aber auch vorher hatte der normale Altstadtgast tatsächlich von diesen Männern nichts zu befürchten. Salopp gesagt: Hell's Angels klauen keine Portemonnaies. Und mancher behauptet, in der Nähe eines breitschultrigen Rockers würde das auch kein Profidieb tun.

Ihre schwerkriminellen Aktivitäten dagegen sind Rockern nicht so leicht nachzuweisen. Die haben ihre eigenen Gesetze, die mit dem Rechtsstaat nicht vereinbar sind - und ihre Opfer haben Angst. Nicht ohne Grund hat die Polizei in Düsseldorf die Videobeobachtung auf den Bereich der Bolkerstraße ausgeweitet, auf der sich die Rocker am häufigsten tummeln. sg

(RP)
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