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Ende Einer Ära Der letzte Maßschneider verlässt die Kö

Düsseldorf · Der Mann hat immer einen guten Schnitt gemacht - aber nun ist Schluss: "Ern, der Schneider" (so heißt seine Firma) verschwindet von der Kö, wo er seit 1962 saß und nähte. Denn der Mann hinter diesem Firmennamen, Jürgen Ern, wird demnächst 80, und daher findet der Schneider der Entscheider, man könnte Nadel und Faden mal öfter aus der Hand legen.

 Er ist einer der letzten Großen seiner Zunft, jetzt geht auch Schneider Ern in den Ruhestand.

Er ist einer der letzten Großen seiner Zunft, jetzt geht auch Schneider Ern in den Ruhestand.

Foto: Andreas Bretz

Der Mann hat immer einen guten Schnitt gemacht - aber nun ist Schluss: "Ern, der Schneider" (so heißt seine Firma) verschwindet von der Kö, wo er seit 1962 saß und nähte. Denn der Mann hinter diesem Firmennamen, Jürgen Ern, wird demnächst 80, und daher findet der Schneider der Entscheider, man könnte Nadel und Faden mal öfter aus der Hand legen.

Also wird er sein Atelier zum Jahresende schließen und nur noch für sehr besondere Kunden in einer zweiten, kleineren Werkstatt da sein. Womit ein weiteres Original, eine weitere inhabergeführte Firma, eine weitere Legende die Kö verlässt.

Ern übt einen Beruf aus, von dem viele unter 40 heutzutage vermutlich gar nicht wissen, dass es ihn gibt: Er ist Maßschneider - hauptsächlich für Männer, aber auch für Frauen. Das heißt: Er näht Hosen, Westen, Jacketts und Mäntel passgenau für seine Kunden.

Und das ist eine Kunst für sich: Der Körper wird nach einem ausgeklügelten System mit Maßband (und ohne einen Computer) vermessen, aus diesen Zahlen werden dann Papiermuster geschnitten, die werden auf Stoff gelegt, die Umrisse mit geschärfter Kreide aufgemalt, die Stücke von Hand ausgeschnitten und anschließend zusammengenäht. Einen Schneider bei dieser Arbeit zu beobachten, ist faszinierend - da wird Handwerk zur Kunst, und nur jahrelange Erfahrung garantiert, dass dem Träger des Kunstwerks alles am Ende auch wirklich exakt passt.

An Kleinigkeiten erkennt ein Fachmann wie Ern sofort, wenn er maßgeschneiderte Kleidung vor sich hat. Die Hose, der Blazer, die Weste - sie sitzen wie eine zweite Haut, sind eng, wo sie sollen, bieten Platz, wo sie müssen - perfekt eben: Da spannt nichts am Bauch, da klafft kein Seitenschlitz.

Und Ern ist der Meister, der das kann, sieht, macht. Mit ihm über Kleidung zu sprechen, ist wie das Fachsimpeln mit einem Künstler über seine Werke.

Das Ganze verlangt natürlich einigen Aufwand. Ein Anzug erfordert mehrere Anproben, und ihn zu nähen, dauert rund 60 Stunden. Der Preis dafür fängt bei 4500 Euro an, ihn noch hochwertiger zu gestalten, ist kein Problem und hängt vom Stoff ab. Solche Zahlen machen klar - das will und kann sich nicht jeder leisten.

Ern hat bei seinem Vater im elterlichen Betrieb in Remscheid im Bergischen Land angefangen. Die Ausbildung ließ ihn wandern durch Europa - Schweiz, Paris, London. Am Ende ergriff er die Chance, Anfang der 1960er Jahre machte er in Düsseldorf seinen Meister und sich selbständig, und er eröffnete sein Atelier am südlichen Ende der Kö, kurz vor der Graf-Adolf-Straße. Dort sitzt er bis jetzt, im 2. Stock, und nur ein bescheidener Schaukasten unten am Eingang zeigt, dass es - wie so oft auf der Kö - auch dort um Kleidung geht. Aber halt um ganz andere als bei denen von der Stange in den anderen Geschäften. Sein Atelier hat den Charme früherer Jahre: Kristalllampen an den Decken, indirekte Beleuchtung an den Wänden, Teppichboden, plüschige Sitzmöbel für die Kunden. Da ist nichts cool, dafür alles gediegen. In einem Regal liegen Ballen kostbarer Stoffe, an und in einem Schrank hängen fertige Stücke, die auf die nächste Anprobe oder auf den Kunden warten, der sie abholt. Die Werkstatt liegt direkt nebenan. Hier und da fallen auffallend farbige Sakkos und Hosen auf. Das hängt mit Erns Einstellung zusammen - ihm sind reifere Herren in Beige und Grau ein Gräuel: ruhig mal eine mutige Kombi wagen, meint der Herr der Nadeln, und trägt gerne gestreifte Sakkos in Rot, Grün oder Blau, dazu stets Krawatten mit mutigen Motiven, und eine winzige Schneiderschere als Krawattennadel. Seine perfekt geschnittenen Hosen brauchen keine Gürtel, aber die und Hosenträger hat Ern auch. Hans Onkelbach

(RP)
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