Oberkassel/Derendorf Mit Laib und Seele

Oberkassel/Derendorf · Georg Kretzschmar hat die Bäckerei Herkules aufgebaut und jetzt ein Buch geschrieben - natürlich über Brot.

 Georg Kretzschmar wollte eigentlich Künstler werden. Das hat er mit seinem Buch nun in gewisser Weise mit 75 Jahren geschafft.

Georg Kretzschmar wollte eigentlich Künstler werden. Das hat er mit seinem Buch nun in gewisser Weise mit 75 Jahren geschafft.

Foto: Marc Ingel

Georg Kretzschmar ist Bäcker, auch mit inzwischen 75 Jahren noch, zumindest im Herzen. Und er will erreichen, dass Brot in einem anderen Licht erscheint. Denn Brot ist nicht nur gesund, es macht auch klug, ist er überzeugt. Um seine These zu untermauern, hat Kretzschmar ein Buch geschrieben und es mit einer Aufforderung versehen: "Esst Brot!", lautet der Titel, der kaum einen Widerspruch zulässt. Denn wir alle sollen profitieren von seinen Erkenntnissen, die in dieser dezidierten und wissenschaftlich belegten Ausführlichkeit so noch keiner aufgeschrieben hat, meint er.

Georg Kretzschmar lebt in Oberkassel, seine unternehmerischen Wurzeln liegen aber in Derendorf, genauer an der Ulmenstraße. Ursprünglich als Fachmann in der Werbung ins Berufsleben gestartet, folgte nach zehn Jahren der Wechsel in ein Pharmazieunternehmen für Naturheilprodukte. Als er einem Chemiker über die Schulter schaute, wie der Brot backte, wurde bei ihm, obwohl Laie, ein Impuls ausgelöst. Er gründete 1978 die Hercules Vollkorn- und Mühlen-Bäckerei, holte Gesellen- und Meisterprüfung nach, war mit 39 Jahren auf einmal Bäckermeister und entwickelte ein besonders schonendes und nachhaltiges Herstellungsverfahren, mit dem er für Furore sorgte, Unternehmerpreise im Backgewerbe absahnte - und schließlich seine Bäckerei 2011 wieder verkaufte. "Ich hatte meinen Nachfolger gefunden", begründet Kretzschmar den Schritt.

Die Geschichte vom Brot zu erzählen, zu beeinflussen und nicht zuletzt im positiven Sinne zu verändern, blieb für ihn dennoch immer eine Lebensaufgabe. Er war Jahrzehnte im Vorstand der Bäckerinnung, gewann die Goldene E(Ä)hre für die Aktion "Bildungsfrühstück", mit der auch Kinder sozial schwächerer Familien mit einem ordentlichen Frühstück versorgt werden sollen. Jetzt also das Buch. "Es hat einen Paradigmenwechsel gegeben, den gilt es zu dokumentieren und nach außen zu tragen. Brot ist nicht mehr nur allein zum Sattwerden da, ist nicht nur ein Lebensmittel, es bringt Licht ins Oberstübchen", erzählt der 75-Jährige und versucht das auf 75 Seiten zu belegen. Man muss dabei nicht jedem seiner Gedankengänge folgen, etwa wenn er vom Kosmos im Brot philosophiert, sich dem gänzlich zu entziehen gelingt aber auch nicht.

Denn Kretzschmar zieht wissenschaftliche Studien heran, die beweisen, dass Teilnehmer, die ein Frühstück mit 80 Prozent Kohlehydraten zu sich genommen haben, bei Denkaufgaben später besser abgeschnitten haben, als die, deren Essen nur 50 Prozent Kohlenhydrate aufwies. Er will dem Kunden ("nicht dem Verbraucher, der verbraucht nur und schafft Müll!") von der Evolution in der Backstube berichten, wenn Getreide sich über Nacht in energiereiche "Brotsamen" verwandeln. Wer dem nicht folgen kann oder will, dem hat der Bäckermeister nur Folgendes zu sagen: "Die Erfahrung aus der Geschichte hat schon manches Nichtwissen betraft."

Brot ist zudem, so Kretzschmar, im Gegensatz zu Fleisch, Fisch oder auch Gemüse, ein Erzeugnis, das ausschließlich von Menschenhand geschaffen werden kann, mit Zutaten, die die Natur bereithält. "Ich habe mich in der Vergangenheit immer geärgert, wenn Menschen den Wert des Brotes nicht zu schätzen wussten." Insofern ist sein Buch nun auch eine Art Abrechnung mit denen, die nur konsumieren, ohne zu reflektieren. In Deutschland, einem Land mit so vielen Sorten wie kein anderes, nimmt das Brot ohnehin einen Status ein, der mit keinem anderen Lebensmittel zu vergleichen ist. Das gilt vor allem, wenn es ohne chemische Zusätze hergestellt wird, der Teig über Nacht reifen kann, ganz so, wie Kretzschmar es früher in seiner Bäckerei gehandhabt hat. Mit Leib (oder besser Laib) und Seele kämpft er daher, für Licht am Ende der Backstube zu sorgen.

(arc)
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