Gastbeitrag von Stephan Kiepe-Fahrenholz Es gibt ein Konzept, aber es geht nicht schnell genug

Duisburg · Der Pastor und Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Duisburg zur aktuellen Situation mit Flüchtlingen in der Stadt.

So sah Duisburgs Zeltstadt für Asylbewerber aus
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So sah Duisburgs Zeltstadt für Asylbewerber aus

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Die Stadt bestückt mit überfüllten Sammelunterkünften, auf dem Rhein schwimmt ein Schiff voller Menschen, weil es an Wohnraum fehlt, und monatlich kommen tausend neue Flüchtlinge aus den Krisengebieten dieser Erde. Das ist kein Horrorszenario. Das war Duisburger Realität in den 1990er Jahren zur Zeit der Kriege im ehemaligen Jugoslawien. Gemessen daran erscheinen die Probleme heute geringfügig: Rund 1600 Flüchtlinge beherbergt die Stadt; wahrscheinlich kommen künftig pro Monat bis zu 150 dazu.

Dennoch ist die Situation dramatisch. Geeignete Unterkünfte, so die Sozialverwaltung, sind Mangelware. Als letzten Ausweg hat man nun in Walsum ein Zeltlager errichtet, in dem Menschen, die aus ihrem Herkunftsland oft nur das nackte Leben gerettet haben, vorübergehend unterkommen sollen. Das ist nicht menschenwürdig. Und das hat Protest hervorgerufen.

Kein Mensch von Besinnung und Gesinnung in Duisburg hält allerdings die Zelte für eine Lösung. Auch nicht die Stadtspitze. Den gegenteiligen Eindruck zu erwecken, ist grob fahrlässig.

Stadtdirektor und Sozialamtsleiterin sind seit Anfang des Jahres nicht müde geworden, auf die kommende Notlage hinzuweisen und um Unterstützung zu bitten: Kirchen, Verbände, Vereine, Wohnungswirtschaft. Die Resonanz: mäßig. Lass das mal die Stadt machen, haben vielleicht viele gedacht. Aber die kann es nicht allein. Jetzt, wo die Zelte stehen, ist das - viel zu spät - auch den Letzten klar geworden.

Prompt hagelt es gute Vorschläge, wo überall man plötzlich Flüchtlinge unterbringen kann. Und kein Kommentar erscheint ohne den Hinweis auf die hohe Zahl von leeren Wohnungen in Duisburg. Was ein bisschen kurz kommt, ist die Frage, warum leer steht, was leer steht. Ob man zum Beispiel in einer Schule, die wegen akuter Bau- und Brandschutzmängel Gott sei Dank geschlossen wurde, nun von heute auf morgen Opfer von Bürgerkriegen unterbringen kann und ob das etwa menschenwürdig wäre, sollte man wohl einmal fragen.

Und wenn das Barbara-Hospital in Neumühl, das vermutlich wirklich die beste Lösung wäre, plötzlich wieder mit schöner Selbstverständlichkeit ins Spiel gebracht wird, als ob es darum erregte Auseinandersetzungen auf offener Straße mit hunderten von aufgebrachten und von rechten Rattenfängern missbrauchten Bürgern nie gegeben hätte, darf einen wohl ein wenig verwundern.

Es ist ja keineswegs so, dass die Stadt kein Konzept zur Aufnahme von Flüchtlingen hätte. Der Neubau oder die Wiedereröffnung von geeigneten Unterkünften ist längst beschlossene Sache. Es geht nur nicht schnell genug. Das hat viele Gründe. Wahrscheinlich hat es Fehler gegeben. Es liegt aber auch daran, dass Behörden die geltenden Vorschriften nicht als lästige Zutat begreifen. In der Stadt der Loveparade-Katastrophe sollte man mit vorschnellen Urteilen vorsichtig sein, obwohl man sich gewiss manche Entscheidung zügiger wünscht.

Was in einer akuten Notsituation wie der, in der Duisburg gerade steckt, wenig nützt, sind Menschen, die über eine jederzeit wasserdichte Weltanschauung verfügen und wissen, dass sie "die Guten" sind. Stattdessen braucht Duisburg die Engagierten, die jetzt vor Ort die Netzwerke zur alltäglichen praktischen Unterstützung der Flüchtlinge aufbauen. Die Hilfsbereiten, die tatsächlich geeigneten Wohnraum zur Verfügung stellen können. Die Informierten, die wissen, dass es nicht nur eine moralische, sondern eine rechtsstaatliche Verpflichtung gibt, bedrohte Menschen aufzunehmen - im äußersten Notfall sogar vor-übergehend in Zelten, auch wenn das eigentlich niemand will.

Solche engagierten, hilfsbereiten und informierten Menschen leben in unserer Stadt zum Glück genug. Und so sicher zwischen ihnen allen der Wille zur vertrauensvollen Zusammenarbeit besteht, so sicher dürfen die zuständigen städtischen Stellen von solchem Vertrauen nicht ausgenommen sein.

PASTOR STEPHAN KIEPE-FAHRENHOLZ IST GESCHÄFTSFÜHRER DES DIAKONISCHEN WERKES, DAS SEIT ÜBER 30 JAHREN IN DUISBURG FLÜCHTLINGE BERÄT UND UNTERSTÜTZT.

(RP)
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