Duisburg/Mülheim Riesen-Spinnen schocken Ruhrgebiet

Duisburg/Mülheim · Bis zu 30 Zentimeter große Spinnen haben sich im Ruhrgebiet angesiedelt. In Mülheim und Duisburg ist die Plage besonders groß. Kolonien bis zu 500 Spinnen kleben an Häuserwänden. Woher sie kommen, ist ein Rätsel.

Riesen-Spinnen schocken das Ruhrgebiet
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Gesehen hat der Mülheimer Feuerwehrmann schon eine ganze Menge. Aber das, was Tim Schuh (30) neulich beim Joggen unter der Friedrich-Ebert-Brücke entdeckte, verschlägt selbst dem hartgesottenen Lebensretter die Sprache. "Sie sind riesig groß, und dann auch noch so viele", sagt er schaudernd. Wie eine schwarze Haut kleben die bis zu 30 Zentimeter großen, schwarzen Weberknechte in Kolonien am Brückenpfeiler — 500 Stück, sie wippen auf und nieder. "Wie im Horrorfilm", sagt er.

Gruseliger Ort

Um den gruseligen Ort am Ruhrufer macht der durchtrainierte Hüne jetzt immer einen Bogen. Da ist Karola Winzer schon mutiger. Sie hat keine Angst vor großen Spinnen — vielmehr liebt die Informatikerin alles, was krabbelt. Mehrmals in der Woche kommt die Mülheimerin zur Friedrich-Ebert-Brücke. Manchmal führt die Hobby-Forscherin Interessierte dorthin. Betrachtet man den Brückenpfeiler aus der richtigen Perspektive, zeichnet sich ein dicker, pelziger Teppich ab. "Igitt!", sagt einer der Begleiter. "Na!", entgegnet Karola Winzer entrüstet. "Die sind doch niedlich und ganz lieb."

Nicht nur am Ruhrufer hat Karola Winzer die Riesen-Weberknechte bereits entdeckt. Vor zwei Jahren machte die 56-Jährige auf einem Spaziergang in der Nähe der Essener Isenburg beim Baldeneysee erste Fotos von dem in Deutschland bis dato unbekannten Spinnentier. Auch im Bereich Gasometer in Oberhausen fand sie die Tiere mit den langen Beinen, ebenso in Duisburg-Rheinhausen und Essen-Kettwig. "Die sitzen dort gerne in den alten gemauerten Torbögen", weiß Winzer. Und auch die Winkel im Duisburger Landschaftspark Nord sind bei den Weberknechten beliebt.

Spinnen-Taskforce

Eine Spinnen-Taskforce von Zoologen aus Mainz nahm sich der unbekannten Spezies sofort an: ein echter Sensationsfund. Mit einer ernsten Bedrohung für die angestammte Tierwelt rechnete damals der Leiter, Prof. Jochen Martens, die Auswirkungen könnten gar katastrophal sein.

Der Münsteraner Arachnologe (Spinnenexperte) Dr. Martin Kreuels bestätigt: "Vor zwei Jahren ging es los". Menschen, die die Tiere gesehen haben, riefen ratlos bei ihm an. "Manche hatten richtige Panik", sagt der Wissenschaftler. Sogar die Polizei habe sich mehrfach bei ihm gemeldet und wollte wissen, wie gefährlich die Tiere tatsächlich sind. Über die Herkunft des Riesen-Weberknechts, der in Deutschland seinen Namen bekommen hat, kann der Spinnenfachmann allerdings nur mutmaßen.

Spinnen aus den Tropen?

"Wir glauben, dass das Tier mit einem Transport aus einem Tropenland eingeschleust wurde. Wahrscheinlich über den Amsterdamer Hafen". Zumindest waren die Niederlande das erste europäische Land, in dem die unbestimmte "Leiobunum-Art unbekannter Herkunft" registriert wurde. Wie ein Lauffeuer breitete sich die Nachricht unter den wenigen europäischen Spinnenexperten aus. "Wir wissen einfach noch nicht genug", sagt Kreuels heute über die möglichen Gefahren, die sein Kollege aus Mainz damals beschrieben hat. Abwarten heißt die Devise: Das Tier müsse einfach länger beobachtet werden.

Fakt ist: Der Riesenweberknecht frisst mit Vorliebe heimische Insekten. Für den Menschen stelle er jedoch keine unmittelbare Gefahr dar, versichert Kreuels. Für Personen mit einer ausgeprägten Angst vor Spinnen ist das ungewöhnlich große Exemplar jedoch ein Problem. Kreuels mahnt vor panischen Kurzschlussreaktionen. Anstelle die Tiere zu töten, bittet der Biologe, sie zu melden.

Das tut Karin Winzer. Eine Karte der Arachnologischen Gesellschaft, die im Internet zu sehen ist, zeigt die Verteilung der Riesen-Weberknechte in Deutschland. "Im Ruhrgebiet gibt es definitiv die meisten Funde", sagt Winzer. Ob es die riesigen Weberknechte tatsächlich nur dort gibt oder in anderen Teilen Deutschlands einfach nur keine Beobachter wie Karola Winzer — das will Martin Kreuels herausfinden. Er glaubt, dass sich die Riesen-Weberknechte extrem schnell entwickeln. "Und sie werden weiter wandern", sagt er.

(RP)
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