Problemhaus in Duisburg Ungeziefer, Dreck, Schimmel: 154 Zuwanderer müssen ausziehen

Duisburg · Die Stadt Duisburg hat das Hochhaus In den Peschen für unbewohnbar erklärt. Die 154 Rumänen, die dort offiziell gemeldet sind, müssen bis Ende Juli ausziehen. Die Anwohner sind erleichtert über die Nachricht und wünschen sich einen Abriss des Gebäudes.

Stadt Duisburg lässt die Problemhäuser räumen
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Foto: Christoph Reichwein

Die Stimmung am Duisburger Problemhaus In den Peschen ist merklich angespannt. Männer stehen in Kleingruppen am Hauseingang des sogenannten Problemhauses zusammen. Passanten werden argwöhnisch begutachtet. Kinder und Jugendliche rufen jedem, der in der Nähe des Hauses stehen bleibt, wüste Beschimpfungen zu. Am frühen Mittwochmorgen haben die letzten Bewohner des Hochhauses erfahren, dass sie ihre Wohnungen bis zum Monatsende verlassen müssen. 44 Erwachsene und 110 Kinder sind dort nach Angaben von Thomas Freitag, Mitarbeiter des Bürger- und Ordnungsamts der Stadt Duisburg, gemeldet. Erfahrungsgemäß sei die Anzahl der Menschen, die dort tatsächlich leben, aber geringer.

Zuvor hatte die Stadt das Wohnhaus als unbewohnbar erklärt und beruft sich auf das neue Wohnungsaufsichtsgesetz, das im April im Landtag verabschiedet worden war. Es soll Kommunen helfen, gegen die Eigentümer von so genannten "Schrottimmobilien" vorzugehen und bei Anzeichen von Verwahrlosung schneller reagieren zu können.

Alexandra G. (29) aus Duisburg ist erleichtert, dass das Problemhaus geräumt wird. Sie geht regelmäßig mit ihren Kindern an dem Haus vorbei. Aus Sorge um die Sicherheit ihrer Tochter Jana (6) hat sie sich für eine Grundschule entschieden, die von dem Problemhaus entfernt liegt.

Alexandra G. (29) aus Duisburg ist erleichtert, dass das Problemhaus geräumt wird. Sie geht regelmäßig mit ihren Kindern an dem Haus vorbei. Aus Sorge um die Sicherheit ihrer Tochter Jana (6) hat sie sich für eine Grundschule entschieden, die von dem Problemhaus entfernt liegt.

Foto: Christoph Reichwein

Vermieter drohte mit Abschaltung des Wassers

So leben Zuwanderer im Problemhaus
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Foto: dpa, Caroline Seidel

In den 47 Wohnungen des Hauses im Stadtteil Rheinhausen lebten zwischenzeitlich rund 1400 Menschen — überwiegend Rumänen, die vor der Armut in ihrer Heimat geflüchtet waren. Nachbarn klagten über Lärmbelästigung, Müllberge und Kriminalität, das Haus geriet bundesweit in die Schlagzeilen. Vor einem Monat hatten die Stadtwerke auf Veranlassung des Vermieters die Strom- und Gaszufuhr unterbunden. Um auch die letzten verbleibenden Bewohner zum Auszug zu zwingen, drohte der Vermieter jetzt auch noch damit, das Wasser abzustellen. "Das hätte eine erhebliche Gefährdung der Mieter zur Folge gehabt", sagt Andrea Bestgen-Schneebeck vom Amt für Soziales und Wohnen.

Spätestens jetzt müsse man reagieren, sagt Stadtsprecherin Anja Kopka. Schon bei einem Ortstermin Ende Juni sei eine "Task Force", bestehend aus Vertretern von Sozial-, Gesundheits-, Jugend-, Ordnungs- und Bauordnungsamt, auf "unfassbare Zustände" gestoßen — unter anderem auf "Fäkalien in den leerstehenden Wohnungen, Ungeziefer, Feuchtigkeit, Schimmel, herausgebrochene Balkontüren und lebensgefährliche Stromverkabelung".

Blick auf Duisburgs "Problemhaus" in Rheinhausen
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Foto: dpa, obe hpl

Dass die Wohnungen unbewohnbar sind, ist schon von außen sichtbar: Aus dem Innenhof dringt der Geruch von Fäkalien. Viele Fensterscheiben des Hauses sind eingeschlagen oder erst gar nicht vorhanden. Aus offenen Fenstern ragen Matratzen. Anwohner berichten, dass regelmäßig Müll, darunter auch gebrauchte Windeln, geworfen werden. "Ich hatte schon eine Ratte auf meinem Balkon sitzen", sagt Lothar Honzelder (62).

Erleichterung bei den Anwohnern

Die angespannte Stimmung im Nachbarhaus bleibt auch bei den Anwohnern nicht unbemerkt. "Heute traut man sich ja gar nicht auf die Straße", sagt eine Frau im Vorbeigehen. Auch Alexandra G. (29) schiebt den Kinderwagen schneller voran, als sonst. "Jeden Tag gehe ich zweimal an dem Haus vorbei, weil meine Tochter einen Kindergarten in der Nähe besucht", sagt sie. Seit mehr als einem Jahr wohnt die gebürtige Duisburgerin mit ihrer Familie in der Nähe des Hauses. Lärmbelästigungen und Müll gehörten hier zum Alltag, sagt sie. Tochter Jana (6) soll nach den Ferien eine Grundschule besuchen. Aus Sorge um ihre Sicherheit habe sie sich für die Grundschule Auf dem Berg entschieden. "Alle ihre Freundinnen aus dem Kindergarten gehen auf eine andere Grundschule", sagt die 29-Jährige. Doch ihre Tochter soll in Zukunft auch mal alleine zur Schule laufen können. "Das geht aber nicht, wenn sie hier vorbei muss."

Erleichterung über den baldigen Leerstand des Hauses will sich noch nicht einstellen. "Haben wir es endlich geschafft?", fragt Gabriele S. (58) ihre Nachbarn. Sie glaube erst an Ruhe in der Gegend, wenn der letzte Mieter das Haus verlassen habe. Regelmäßig hätten sie die Polizei alarmiert. "Es dringt Urin- und Kotgeruch aus dem Gebäude. Überall am Haus ist Schimmel sichtbar", sagt Hans-Wilhelm Halle (66). Seit mehr als 33 Jahren wohnt er in der Gegend. Doch was er in den letzten zwei Jahren im Problemhaus erlebt habe, sei unfassbar. "Essensreste werden über den Balkon entsorgt, Möbel fliegen aus dem achten Stock", sagt er. Und der Müll liege nicht nur am Haus selbst, auch die Seitenstraßen, Wege und Gebüsche seien verdreckt. "Auf dem Weg zum Volkspark werden menschliche Fäkalien hinterlassen", sagt Gabriele S. Einheitlicher Wunsch der Anwohner: Ein Abriss des Problemhauses. Erst dann sei Ruhe im Viertel.

Zunächst steht der Auszug der verbliebenen Familien an. Zwei Wochen haben die Bewohner Zeit, sich eine neue Bleibe zu suchen. Die Stadt plant keine konzertierte Unterstützungsaktion, vom Jugendamt finanzierte Sozialarbeiter sollen aber Hilfestellung geben. "Wir haben 10.000 leerstehende Wohnungen in Duisburg. Jeder kann eine Wohnung finden", sagt Sozialamtsleiterin Andrea Bestgen-Schneebeck. Bevor der Besitzer das Haus neu vermieten darf, muss er laut Stadtsprecherin Kopka mindestens "eine siebenstellige Summe" investieren.

(ape)
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