Emmerich Bienener oder Biener?

Emmerich · Welche Sprach-Regeln gelten eigentlich bei Herkunftsbezeichnungen? Es gibt keine, erklärt Sprachforscher Georg Cornelissen anlässlich des internationalen Tags der Muttersprache.

REES (dae) Seine Familie lässt sich bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgen und auf Schloss Hueth im Reeser Ortsteil Bienen lebt sie seit mittlerweile mehr als 200 Jahren. Doch diese Frage hat Friedrich Freiherr von Wittenhorst-Sonsfeld dann doch aus dem Tritt gebracht: Ist er ein "Biener" oder ein "Bienener"?

Zum internationalen Tag der Muttersprache am 21. Februar kann man diese Frage ja mal erörtern. Im Jahr 2000 hatte die Unesco diesen jährlichen Tag erstmals ausgerufen. Er soll die sprachliche Vielfalt einer Gesellschaft stärken. Vielfältig sind auch die Varianten von Herkunftsbezeichnungen.

Sind Bewohner von Mehr Mehrer, Mehrerer oder gar Mehraner? Sind Menschen aus Millingen Millinger oder Millingener? "Es gibt da keine Regeln", sagt Georg Cornelissen, Sprachforscher beim Rheinischen Amt für Landeskunde. "Entscheidend ist, was man vor Ort spricht."

Bienens Ortsvorsteher von Wittenhorst-Sonsfeld jedenfalls sagt, "ich bin ein Bienener - 'Biener' wird bei uns wohl keiner sagen", meint er. Obwohl sich das kürzer spräche. Für Margret Derksen, Ortsvorsteherin in Haffen, steht ihre Heimatgemeinde stets an erster Stelle: "Wenn mich jemand fragt, woher ich komme, sage ich 'aus Haffen'". Auf Nachfrage ergänze sie dann: "Das ist ein Ortsteil von Rees". Die 52-Jährige ist gebürtige - tja: Hafferin? "Haffenerin", sagt Derksen mit Bestimmtheit.

In Sprachdingen jedoch ist nichts sicher und das, was vielleicht sicher ist, muss nicht von Bestand sein. Sprache wandelt sich - mit denen, die sie sprechen. Bewohner von Duisburg-Rheinhausen sind Rheinhauser. So sagen es viele. Georg Cornelissen jedoch hat festgestellt, dass manche in Rheinhausen inzwischen auch "Rheinhausener" sagen. Solche Varianten der Wortbildung würden seit Jahrhunderten schon miteinander konkurrieren. Menschen aus Oberhausen etwa sind Oberhausener - die Kurzform ist dort bisher nicht geläufig.

Manches bei Herkunftsbezeichnungen sei ohnehin "konkurrenzlos": Menschen aus Orten mit der Wortendung"burg" sind "-burger". Bei Orte, die auf "en" enden wiederum sind Variationen möglich und auch verbreitet, sagt Sprachforscher Georg Cornelissen: "So etwas wird von Generation zu Generation tradiert." Sprachwissenschaftlich sei das ein interessantes Thema, meint Cornelissen, der viel zum Niederrhein und seiner Sprache geforscht hat. Zwischen 1300 und 1900 wechselten Herrscher, deren Konfessionen und die Gebietszuschnitte am Niederrhein so häufig, dass das auch die Sprache beeinflusste.

"Bis ins 16. Jahrhundert hinein wurde die niederrheinische Regionalsprache, die dem Niederländischen näher steht als dem Hochdeutschen, auch geschrieben", sagt Cornelissen. Vorübergehend sei sogar mal französisch Kirchen- und Verwaltungssprache am Niederrhein gewesen. Das habe zu "komplizierten Sprachverhältnissen geführt". Mindestens zwei, nicht selten drei Sprachen seien nebeneinander gebraucht worden.

Die niederländische Mundart sei dabei nach dem 16. Jahrhundert das einzige Beständige gewesen; alle am Niederrhein hätten sich damals damit verständigt. Den niederländischen Einfluss findet man noch heute - auch bei den Herkunftsbezeichnungen. Ob Biener oder Bienener - auf Platt sind Menschen aus dem Ort zweifelsfrei "de Biense". Und Haffener sind "de Haff'ße" - sagt die dortige Ortsvorsteherin Margret Derksen.

Die Frage zu den Varianten der Wortbildung von Herkunftsbezeichnungen wäre ein schönes Thema für eine wissenschaftliche Arbeit, meint Cornelissen. Um herauszufinden, was vor Ort gilt, ob nun im Platt oder auf Hochdeutsch, helfe es jedoch nicht, Bücher zu wälzen. "Man müsste alles vor Ort erfragen", sagt der 62-Jährige.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort