Emmerich Der Friedhof der Nuscheltiere

Emmerich · René Steinberg kennen viele aus dem Radio. In Rees glänzte er auf der Bühne.

Sind Leute von der anderen Rheinseite da? Oder Holländer? Lehrer? CDU-Politiker? Sogar Schalke-Fans? René Steinberg sondierte das Publikum im Reeser Bürgerhaus schon vor dem eigentlichen Start seines Bühnenprogramms "Gebt dem Unsinn das Kommando". Er schlich sich von hinten an die 170 Zuschauer heran, ging durch die Stuhlreihen und forderte für die nächsten zweieinhalb Stunden den Beweis ein, dass der Niederrhein zu Recht das "Brasilien von Nordrhein-Westfalen" genannt wird.

Für den größten Knaller der ersten Halbzeit sorgte dann ein Deckenscheinwerfer, der hoch über den Köpfen des Publikums explodierte. Steinberg nutzte diese lautstarke Steilvorlage geschickt aus. Ohnehin lebte seine Bühnenshow nicht nur von Wortwitz, Gesang und pfundigen Tanzeinlagen, sondern auch von einer gehörigen Portion Improvisationstalent. Der Mülheimer, der landesweit durch Radio-Comedy wie "die von der Leyens" und "Tatort mit Til, Herbert und Udo" bekannt wurde, stand stets im Dialog mit seinen Zuschauern.

Steinberg philosophierte über den Stau auf der A 40 ("Warum leben so viele Menschen im Ruhrgebiet? - Wir kommen da nicht raus!"), über Bandwurm-Banknummern ("Opa graute vor dem Iwan, uns graut vor der IBAN.") und über den neuerdings politisch korrekten "Tatort", in dem Horst Schimanski im Strukturwandel-geprägten Duisburg keine Mörder mehr verhauen darf, sondern in der florierenden Veganer-Szene aktiv wird, wenn jemand durch Sellerie-Allergie zu Schaden gekommen ist. "Früher war nicht alles besser, aber anders", betonte Steinberg. Er wies die junge Generation darauf hin, dass es vor 1990 eine Zeit gab, in der alles langsam und analog war.

Die heutige Jugend, die dem Internet und iPhone verfallen ist, wisse doch gar nicht mehr, dass es einen "Komplettabsturz" früher ausschließlich auf Schützenfesten gab. Natürlich spielte René Steinberg auch sein Talent als Imitator aus. Der näselnde Ex-Politiker Ronald Pofalla zog sich wie ein roter Faden durch den Abend, das gesamte Ensemble des Bundestages präsentierte er in einer energiegeladenen Musical-Version, und auch Til Schweiger, der aus dem Hamburger "Tatort" einen "Friedhof der Nuscheltiere" gemacht hat, sowie die Louis-de-Funès-Reinkarnation Nicolas Sarkozy bekamen ihr Fett weg. Gegen Ende setzte Steinberg komplett auf "Quatsch", er weckte "das Kind im Manne" und verlangte eine "Pippisierung der Gesellschaft", weil nicht nur Pippi Langstrumpf das Recht habe, sich die Welt zu machen, wie sie ihr gefällt. Als Vater eines zehnjährigen Sohnes und einer 13-jährigen Tochter gab er noch wertvolle Tipps, wie man die pubertierende Tochter davon überzeugt, pünktlich aus der Disco nach Hause zu kommen. Denn beim ersten Verstoß zog er sich Jogging-Hose, Feinripp-Unterhemd und Adiletten an, fuhr zur Disco und präsentierte auf der Tanzfläche seine an das Lied "Happy" angelehnte Fassung von "Papi".

Als Zugabe stimmte René Steinberg mit dem Publikum längst verschüttet geglaubte Kinderlieder an. "Es ist noch ganz viel da!", freute er sich mit seinen Zuschauern und dankte für einen "sehr schönen gemeinsamen Abend."

VON MICHAEL SCHOLTEN

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort