Erkelenz Geschätzt als "große Schwester"

Erkelenz · Die 25-jährige Studentin Corinna Lenz aus Erkelenz kümmert sich zurzeit im "Dry Lands Projekt" in Sri Lanka um Mädchen aus armen Familien. Im "Angels Home" gehen die Mädchen zur Schule und bekommen eine Ausbildung.

Corinna Lenz wollte ihre Komfortzone verlassen, wollte, bevor ihr Studium des Bauingenieurwesens endet, einmal etwas anderes machen, wollte anderen Menschen helfen - die 25-jährige Erkelenzerin ging nach Sri Lanka, wo sie in einer Ausbildungsstätte für familienlose Mädchen arbeitet. Sie sagt nach ihren ersten Wochen beim "Dry Lands Project", das nach dem verheerenden Tsunami am 26. Dezember 2004 als Hilfsorganisation gegründet worden war: "Ich werde mich bemühen, alles, was ich hier erlebe, als Erfahrung mit nach Hause zu nehmen und daran zu wachsen. Auch an den unschönen Erlebnissen. Außerdem werde ich mein Bestes geben, die Zeit der Mädchen hier so schön wie möglich zu gestalten und ihnen auch eine Art ,große Schwester' zu sein."

Das Prinzip der "großen Schwester" ist die Basis aller Arbeit in der Ausbildungsstätte. Hier leben derzeit 46 Mädchen im Alter von fünf bis 19 Jahren. Die meisten sind dort, weil ihre Familien kein Geld haben, um sie zu ernähren. Aber auch Mädchen ohne Eltern oder andere Verwandte leben im sogenannten Angels Home in Marawila. Davon abgesehen gibt es aber auch Kinder, die aus "diversen unschönen Gründen aus ihrer Familie geholt worden sind", erzählt Corinna Lenz und erklärt zum Leben in dieser Gemeinschaft: "Jedes jüngere Mädchen bekommt ein älteres Mädchen als ,große Schwester' zugeteilt. Sie teilen sich ein Hochbett sowie einen Kleiderschrank. Die ältere übernimmt die Verantwortung für die jüngere, das heißt, sie hat dafür Sorge zu tragen, dass auch das jüngere Mädchen beispielsweise seinen Kleiderschrank aufräumt oder seine Schuluniform korrekt aussieht. Somit hat jedes jüngere Mädchen eine Ansprechpartnerin, und jedes ältere Mädchen lernt Verantwortung zu übernehmen."

Gegründet wurde die Einrichtung 2005 von dem Deutschen Frank Lieneke. Seit 2006 wird er von Julia Fischer unterstützt, die nach einem Praktikum im Angels Home geblieben ist. Die 25-jährige Corinna Lenz aus Erkelenz arbeitet dort derzeit mit, will zweieinhalb Monate bleiben. Sie ist vor allem dafür zuständig, den Kindern am Nachmittag die englische Sprache zu vermitteln. Ihr Tagesprogramm beginnt um 5 Uhr mit dem Aufstehen und einer Frühsportrunde und endet gegen 21 Uhr mit dem Zubettgehen. "Der Tagesablauf ist sehr strikt", erzählt die Erkelenzerin, findet aber "eine klare Struktur in einer Einrichtung wie dieser sehr gut, da man bei der Masse an Kindern ansonsten den Überblick verlieren würde und da dadurch den Kindern auch ein gewisses Maß an Disziplin abverlangt wird."

Viel Zeit des Tages wird auf Schule, Hausaufgaben und Nachhilfe in Englisch verwendet. Selbstverständlich ist so viel Schulbildung für Mädchen in Sri Lanka nicht, berichtet Corinna Lenz: "Jedes Mädchen, das im Angels Home lebt, muss zur Schule gehen, bis es 18 Jahre alt ist. Rechtlich gesehen, muss jedes Kind in Sri Lanka zur Schule gehen, allerdings halten sich die meisten Familien aus finanziellen Gründen nicht daran. Was unsere Mädchen im Alter ab 18 Jahren machen, ob sie gehen oder bleiben, können sie selbst entscheiden." Jedoch bietet die Einrichtung gute Argumente zu bleiben: "Für die Mädchen gibt es die Möglichkeit, im benachbarten Angels Trainingscenter kostenfrei eine anerkannte Ausbildung zur Frisörin, Schneiderin oder Kosmetikerin zu machen." Das ist eine ebenfalls von Lieneke und Fischer ins Leben gerufene Initiative. Dazu erklärt Corinna Lenz: "In Sri Lanka ist es üblich, dass Mädchen nach der Schule heiraten und Hausfrau und Mutter sind. Durch die Ausbildungsmöglichkeiten im Trainingscenter sollen sie die Chance bekommen, als Erwachsene eine finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen."

Der erste Monat in Sri Lanka ist für Corinna Lenz vergangen, schon jetzt weiß sie, dass dieser Aufenthalt sie prägen wird: "Die Zeit mit den Mädchen bereitet mir viel Freude, egal ob Spiel- oder Hausaufgabenzeit. Trotzdem gibt es Situationen, mit denen ich zu kämpfen habe. Beispielsweise wenn ein Mädchen eine Absage bekommt, dass es nicht von seinen Eltern in den Ferien abgeholt wird und ansehen muss, wie andere nach Hause gehen. Ich weiß jetzt schon, dass ich einige Sachen anders machen werde, wenn ich nach Hause komme - wie noch einmal sparsamer mit Ressourcen umzugehen. Auch gewisse Denkweisen haben sich bei mir schon geändert."

(spe)
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