Stadtwerke Geldern Präsentieren Verschwundene Orte (12 Und Ende) Erinnerungen an die alte Ponter Schule

Geldern · Errichtet wurde das Schulgebäude 1827. Im Jahr 1914 folgte die Erweiterung, 1956 der Abriss zugunsten eines neuen Schulhauses. Nur 16 Jahre später wurde die Schule geschlossen. Heute geht dort der Nachwuchs in den Kindergarten.

 1950 sah das Ponter Schulgebäude so aus. Sechs Jahre später musste es einem neuen Schulhaus Platz machen und wurde aberissen.

1950 sah das Ponter Schulgebäude so aus. Sechs Jahre später musste es einem neuen Schulhaus Platz machen und wurde aberissen.

Foto: Heimat- und Förderverein Pont

Pont Goswin Linder holt einen dicken Ordner hervor. "Ich bin noch in den alten Kasten gegangen", sagt der 74-jährige Ponter. "Der alte Kasten", damit ist die alte Ponter Schule gemeint. In dem dicken Band, der vor Linder liegt, ist die Geschichte der Schule in Sütterlinschrift festgehalten. Übersetzt hat das Schriftstück Johann Schmitz. Die Aufzeichnungen legte 1876 Johann Holzschneider an. 40 Jahre war er Lehrer an der Volksschule.

Die Geschichte des Ponter Bildungswesens reicht allerdings viel weiter zurück. Bereits 1613 wird von einem Schullehrer in Pont berichtet. Friedrich Nettesheim schreibt darüber in seinem Buch "Geschichte der Schulen im alten Herzogtum Geldern und in den benachbarten Landestheilen". Dort ist unter anderem von Peter van Issem die Rede. Er war 1779 Küster und Lehrer in Pont. Die Forderungen, die an die damaligen Pädagogen gestellt wurden, lauteten wie folgt: "Das Schulamt verlange nur allein, dass der Lehrer im Schreiben und Buchstabieren gut, erfahren und geschickt sei, um die Kinder in der Christenlehre zu unterweisen." So ist es bei Nettesheim nachzulesen. Unterricht war damals nur von Allerheiligen bis Ostern.

 Im Jahr 1906 gingen diese Jungen und Mädchen auf der Ponter Schule in die so genannte Unterklasse.

Im Jahr 1906 gingen diese Jungen und Mädchen auf der Ponter Schule in die so genannte Unterklasse.

Foto: Heimat- und Förderverein Pont

Das Schulgebäude, um das es im Folgenden gehen soll, wurde 1827 errichtet. Bereits 20 Jahre später wurden erste Forderungen laut, das Schulgebäude um Räume zu erweitern. 139 Schüler besuchen die Schule, die aus einem Schulsaal besteht. Pont will aber nicht erweitern, denn das kostet Geld. Stattdessen wird festgestellt, dass von den 139 Kindern nur 112 aus Pont kommen. "Wenn die 27 auswärtigen Kinder ausgewiesen würden, so würde der Raum für die Ponter Kinder reichen", lautet die Ponter Lösung. Es sollte tatsächlich bis 1914 dauern, bis endlich angebaut wurde.

Welche Strapazen es bedeutete, die Masse an Schülern auf engstem Raum zu unterrichten, machte die Laudatio von Pfarrverwalter Dr. Jordan zum 25-jährigen Dienstjubiläum von Johann Holzschneider deutlich. Der Beruf des Lehrers sei überaus erhaben, aber auch schwer. In seiner Rede vergleicht er den Beruf des Lehrers mit dem des Künstlers. Letzterer zaubere aus ungeformten Holz, Erz oder Stein eine lebensvolle Figur hervor oder male mit dem Pinsel lebensähnliche Gestalten. Der Lehrer bilde des Menschen Geist und Seele, damit er in seinem Leben seinen Beruf erfülle und zugleich sein ewiges Ziel erreiche.

Die schweren Zeiten sollten erst noch kommen. Am 22. April 1914 wurde der Anbau eingeweiht. Der Erste Weltkrieg sollte aber bald schon seine Schatten auch über die Ponter Schule werfen. Kriegsversehrte wurden als Lehrer eingesetzt. Als Holzschneider erkrankt, schickt die Königliche Regierung etwa den in der Schlacht bei Arras am 10. Oktober 1914 verwundeten Lehrer Karl Altgassen aus Krefeld. Am 12. November 1916 stirbt der altbewährte Lehrer Holzschneider nach 40 Jahren, die er der Ponter Schule gedient hat. Vertretungsweise wird dem "bei einem Sturmangriff bei Neuve Chapelle schwer verwundeten Schulamtsbewerber Felix Verhoolen aus Geldern der Unterricht in der Oberklasse vertretungsweise übertragen", heißt es in der Chronik. Auch die Schüler bleiben nicht vom Kriegsgeschehen unberührt. Sie sammeln "Liebesgaben" wie Strümpfe, Zigarren, Tabak, Zucker, Schokolade, Kaffee und Konserven für die Verwundeten in den Lazaretten, außerdem jede Menge Eier zur Speisung der Verwundeten und Schwerstarbeiter. 1918 wurde eine große Anzahl von Schülern beurlaubt, um bei der Kartoffel-, Möhren- und Rübenernte mit anzupacken. Im gleichen Jahr schwächte die Grippe Lehrer und Schüler gleichermaßen, in der Chronik steht "in besorgniserregender Weise". Eine Schülerin starb an den Folgen der Erkrankung.

Bis 1956 war das Schulgebäude samt Anbau eine Stätte des Lehrens und Lernens. Im gleichen Jahr wurde ein neues Schulgebäude gebaut, nur wenige Schritte von der alten Schule entfernt. Im Sommer 1956 wurde die alte Schule abgerissen. Im Herbst ging es im neuen Schulgebäude weiter bis 1972. Ab da wurden die Ponter Schüler zu "Fahrschülern".

Die neue Schule ist heute der Kindergarten, die "Alte Schule" verschwunden. Für Goswin Linder sind die Erinnerungen an den "alten Kasten" allerdings noch sehr lebendig. Unterricht hatte er bei Fräulein Clara Wassenberg. "Bei ihr gab es Fleißkärtchen", sagt er über seine Zeit als Schüler. Für genügend Fleiß gab es als Prämie ein Heiligenbildchen.

Ob Linder viele Fleißkärtchen mit nach Hause gebracht hat? Der 74-Jährige lacht. "Ich glaube ja, das war wohl so, wenn man zum Gymnasium wollte." Und von der damaligen "Zwergenschule" in Pont zum Gymnasium, das sei damals schon ein ganz schöner Sprung gewesen, erinnert er sich. Und weil ihm das Andenken so wichtig ist, hat er die alte, dicke Schulchronik noch einmal aus dem Aktenschrank geholt.

(RP)
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