Grevenbroich Purple Schulz und der Quäker in Grevenbroich

Grevenbroich · Der bekannte Musiker sang und las in der Villa Erckens. Dabei erinnerte er sich auch an die Schlossstadt in den 1960er Jahren.

 Er gehört zu den Helden der 80er und sang in Grevenbroich seinen wohl größten Hit: Rüdiger "Purple" Schulz war in der Villa Erckens zu Gast.

Er gehört zu den Helden der 80er und sang in Grevenbroich seinen wohl größten Hit: Rüdiger "Purple" Schulz war in der Villa Erckens zu Gast.

Foto: D. Staniek

Ziemlich zum Ende des Abends steht er auf der Bühne und singt den Song, auf den alle gewartet haben: "Sehnsucht". Und Rüdiger "Purple" Schulz (59) brüllt sich im Refrain die Seele aus dem Leib: "Ich will raus!" Da kommt Gänsehaut-Atmosphäre auf. Denn kurz zuvor hat der gebürtige Kölner darüber berichtet, wie er seinen größten Hit im Palast der Republik gesungen hat - damals in der DDR, bei der "Rockpoeten-Tour" im Januar 1989, nur wenige Monate bevor die Mauer fiel. "Sehnsucht" wurde für viele, die raus wollten aus dem Osten, zur Hymne schlechthin.

Purple Schulz war jetzt zu Gast in der Villa Erckens und präsentierte im Rahmen der Reihe "Helden der 80er" eine musikalische Lesung. Er stellte seine Autobiografie "Sehnsucht bleibt" vor, sang einige seiner bekannten Stücke, aber auch neue Songs. Grevenbroich ist dem sichtbar jung gebliebenen Musiker nicht unbekannt: "In den 60ern bin ich oft mit meinen Eltern hier durchgefahren, auf dem Weg von Köln nach Mönchengladbach, wo Oma Gertrud wohnte", berichtete er.

 Purple Schulz mit seinem Buch "Sehnsucht bleibt".

Purple Schulz mit seinem Buch "Sehnsucht bleibt".

Foto: L. Berns

Was ihm lebhaft in Erinnerung geblieben ist: "Die Mühle mit dem großen Quäker-Bild", die vor Jahren an der Rheydter Straße stand. Und eines habe er mit den Grevenbroichern gemein: "Den Blick auf die Kraftwerke - nur, dass ich von meinem Wohnort gleich drei von dieser Sorte sehe", sagte Purple Schulz, der mit seiner Frau in Glessen im Rhein-Erft-Kreis lebt. Die Zuhörer lernten ihn in der Villa Erckens als einen Mann kennen, der einen kritischen Blick auf die Dinge hat und sich trotzdem die Lebensfreude nicht vermiesen lässt. Seine Autobiografie ist in großen Teilen auch ein Spiegel der deutschen Nachkriegsgeschichte. Vaters abgefrorene Zehe sei ein stummer Zeuge des Wehrmachtssoldaten gewesen, denn "für Gefühle war kein Platz nach dem Krieg". Das Klavier, ein Kommunionsgeschenk der Großmutter, war für ihn Liebe auf den ersten Blick - für ihn, "den jüngsten von drei Söhnen, zart von der Statur und ausgestattet sowohl mit einem musikalischen Hinterkopf als auch mit einem kleinen S-Fehler".

Purple Schulz las von bizarren Kindheitserlebnissen ("Für 50 Pfennig zeigte uns Renate ihren kleinen Unterschied"), erzählte von der Domstadt, wie sie früher einmal war und künftig nie mehr sein werde.

In der Villa Erckens hatte der zierliche Künstler zwei Arbeitsplätze, zwischen denen er hin und her pendelte: hinter dem Keyboard und vor seinem Buch. Als erstes sang er den wunderschönen Song "Kleine Sen", später beeindruckte er mit dem Lied "Fragezeichen", in dem er die Demenz seines Vaters verarbeitet hat. Und Purple Schulz gab seinen Fans auch einen Tipp auf den Heimweg: "Sucht und geht euren eigenen Weg. Und gebt ab und zu einen Schrei ab." Es war ein vergnügter, nachdenklicher Künstler, der den Zuschauern einen schönen, ganz besonderen Abend bescherte.

Im Rhein-Kreis Neuss ist Purple Schulz am 27. Mai wieder zu sehen. Dann gibt er ab 19.30 Uhr ein "Friday Night"-Konzert in der Dormagener Kulturkirche.

(NGZ)
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