Grevenbroich Zu viele Pflegeplätze, zu wenig Ärzte?

Grevenbroich · Die Versorgung von Pflegeheimpatienten, sagen Mediziner, sei für Grevenbroichs niedergelassene Ärzte schon jetzt kaum mehr stemmbar. Vor dem Hintergrund eines drohenden Hausärztemangels erscheint die Lage besonders prekär.

Grevenbroichs Ärzte schlagen Alarm: Die Stadt, da sind sich die niedergelassenen Internisten Dr. Peter Stöcker und Dr. Geert Buß ziemlich sicher, steuert auf ein ausgewachsenes Loch in Bezug auf die hausärztliche Versorgung zu. In Frimmersdorf ist diese bereits in akuter Gefahr. Dr. Rüdiger Herrmann, Facharzt für Allgemeinmedizin, wird voraussichtlich Ende dieses, Anfang nächsten Jahres seine Praxis aufgeben, um sich in den Ruhestand zu verabschieden. Ein Nachfolger ist nach monatelanger Suche noch nicht in Sicht.

Und Stöcker und Buß sagen: Mindestens zwei weitere Hausärzte in der von der Kassenärztlichen Vereinigung festgelegten Versorgungsregion "Grevenbroich/Jüchen/Rommerskirchen" werden in naher Zukunft aus dem Praxisdienst ausscheiden. Das verschärfe die ohnehin schon angespannte Situation, auch im Hinblick auf die Versorgung von Pflegeheimpatienten. Denn diese, sagen die Mediziner, sei für Grevenbroichs niedergelassene Ärzte schon jetzt zeitlich kaum noch stemmbar. Wenn die Wartezimmer bis unters Dach voll seien, bleibe für die vergleichsweise aufwendige Behandlung in Seniorenresidenzen und Pflegeeinrichtungen so gut wie keine Kapazität.

"Ein Problem ist aus unserer Sicht der enorme Zuwachs an Pflegeheimen in Grevenbroich", sagt Geert Buß. "In den vergangenen Jahren sind mehrere neue Einrichtungen eröffnet worden. Während sich die Zahl der Pflegeplätze vervielfacht hat, ist die der niedergelassenen Ärzte nicht gewachsen, sondern perspektivisch sogar rückgängig - das ist eine Schere, die immer weiter auseinander klafft."

Tatsächlich ist es so, dass die aktuelle Pflegebedarfsanalyse für den Rhein-Kreis im Jahr 2015 ein "Zuviel" von kreisweit 564 vollstationären Pflegeplätzen aufweist. Der größte Überhang wird in Grevenbroich ausgemacht. Dem gegenüber stehen derzeit 60 niedergelassene Hausärzte in der Region "Grevenbroich/Jüchen/Rommerskirchen". "Die Versorgungsquote liegt statistische gesehen bei 98 Prozent", sagt Christoph Schneider, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. "Von einer Unterversorgung spricht der Gesetzgeber bei Hausärzten erst bei einer Versorgungsquote von 75 Prozent."

Auf dem Papier scheint in Grevenbroich also alles im Lot. Für Peter Stöcker und Geert Buß fühlt sich das in die Praxisrealität allerdings anders an. Immer mehr Anforderungen würden auf immer weniger Schultern verteilt, sagen beide und betonen, die Probleme bei der ärztlichen Versorgung von Heimpatienten hätten nichts mit Geld zu tun. "Die ,Heim-Arbeit' wird zusätzlich vergütet", sagt Peter Stöcker. "Das hilft aber auch nichts, wenn der Tag nur 24 Stunden hat."

Eine verbindliche Vereinbarung für die Behandlung von Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben - ähnlich der Regelung für Notdienste - gibt es für niedergelassene Ärzte in Grevenbroich nicht, sagt Geert Buß. "Peter Stöcker und ich handhaben es so, dass wir unsere Stammpatienten begleiten, wenn sie in ein Pflegeheim in der Stadt kommen. Wege bis nach Jüchen oder Rommerskirchen sind allerdings schon nicht mehr organisierbar." In der Konsequenz, sagt der Internist, müssten die Pflegeheime zuweilen auf Zuruf mit Ärzten zusammenarbeiten. Und das funktioniere nicht immer problemlos. Also was tun? "Schon vor dem Bau von Pflegeeinrichtungen darauf schauen, wie die ärztliche Versorgungslage vor Ort ist", sagt Buß. "Das könnte jedenfalls ein Schritt sein."

(NGZ)
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