Stadt Kempen Lourdes: Wallfahrt mit Behinderten

Stadt Kempen · Der Kempener Walter Simon begleitet Kranke und Behinderte auf Wallfahrten nach Lourdes. Die nächste Reise beginnt am Donnerstag. Sie ist immer wieder eine große Herausforderung für die Betreuer.

 Aus dieser Grotte soll das heilbringende Wasser kommen.

Aus dieser Grotte soll das heilbringende Wasser kommen.

Foto: ap

Eigentlich wollte er seine Erlebnisse aufschreiben, wie bei so vielen anderen seiner Reisen auch. Aber wenn er über seine Begleitung von Krankenwallfahrten nach Lourdes Tagebuch führen wollte, fehlten dem Kempener Walter Simon die Worte. Auch wenn er erzählt, ist ihm anzumerken, dass diese Reisen ihn sehr anrühren.

 Walter Simon macht sich am Donnerstag wieder auf den Weg nach Lourdes. 1987 begleitete er erstmals Kranke und Behinderte auf ihrer Wallfahrt und betreut seitdem regelmäßig Pilgergruppen.

Walter Simon macht sich am Donnerstag wieder auf den Weg nach Lourdes. 1987 begleitete er erstmals Kranke und Behinderte auf ihrer Wallfahrt und betreut seitdem regelmäßig Pilgergruppen.

Foto: wolfgang kaiser

1987 hatte Prof. Dr. Wolfgang Wildmeister vom Hospital zum Heiligen Geist ihn auf die besonderen Wallfahrten für Kranke und Behinderte nach Lourdes aufmerksam gemacht. Der damalige Kempener Propst Claaßen hatte ihn gewarnt, er solle es ruhig angehen lassen auf dieser ersten Reise. Und richtig, so erinnert sich Simon, war er schon am ersten Tag in Lourdes von all den Eindrücken, die auf ihn einstürmten, so erschüttert, dass er erst einmal den Berg hinauf in den stillen Wald flüchtete. Das muss er nach über 20 Jahren nicht mehr. Aber das Gefühl, dass diese Reise etwas Besonderes ist, bleibt offensichtlich.

Organisiert werden die Reisen von gleich drei Institutionen. Eine Kombination, die sich in Anbetracht des großen Aufwandes bewährt hat. Da ist zunächst das Bistum Essen. Anmeldungen, Fahrt mit einem speziellen Sonderzug, Zusammenstellung der begleitenden Teams, all das muss geregelt werden. Der Lourdes-Verein aus Köln wiederum kümmert sich um die Unterbringung der Wallfahrer. Kranke und Behinderte haben Plätze in einem Hospital zur Verfügung, für die Helfer werden Unterkünfte in einem Hotel besorgt. Der Malteser-Orden schließlich kümmert sich um die Betreuer-Teams. Hier ist Ferdinand Graf von Merveldt federführend. "Ich war wohl damals der Einzige ohne Adelstitel", erinnert sich Simon schmunzelnd. In diesem Jahr stehen für 30 Kranke und Behinderte ebenso viele Betreuer zur Verfügung. Das ist ein schon traumhafter, aber auch notwendiger Schlüssel, so Simon.

So ein Tag in Lourdes ist nämlich anstrengend. Für die Betreuer heißt es, schon um 4 Uhr aufstehen. Dem gemeinsamen Frühstück folgt eine Morgenandacht. Danach geht es zum Krankenhaus. Auch wenn sich einige der Mitreisenden selbst anziehen und essen können, ist doch bei vielen Hilfestellung nötig. So wird es dann 8 Uhr, bis die Gruppe soweit fertig ist, dass das Tagesprogramm starten kann. Meist beginnt es mit einer Messe, fester Bestandteil sind auch die Sakramentenprozession um 17 Uhr und die Lichterprozession um 20.30 Uhr. Gemeinsam geht die Gruppe auch den kleinen Kreuzweg entlang des Flusses Grave, der auch für Rollstuhlfahrer geeignet ist. Überhaupt ist für die Beweglichkeit aller gut gesorgt in dem felsigen Ort. Für Kranke und Gehbehinderte stehen spezielle Rollstühle bereit. Auf jeden Fall wird eine Mittagsruhe eingelegt, damit sich alle ein wenig ausruhen können.

Immer gehört auch ein Besuch der Stadt Lourdes zum Programm. Schließlich wollen alle trotz des Trubels bei Tausenden von Pilgern den Geburtsort von Bernadette Soubirous sehen. Und es besteht Gelegenheit zum Einkauf von Mitbringseln. Dies ist vielen ganz wichtig, so Simon. Auch wenn dies wie in vielen Wallfahrtsorten oft ziemlicher Kitsch ist. Aber er selbst hat auch schon das eine oder andere aus Lourdes mitgebracht im Laufe der Jahre.

Simon freut sich, dass inzwischen auch junge Betreuer mitfahren. Die Mischung im Team stimmt. Über Jahre hinweg haben sich zahlreiche private Kontakte ergeben. Und denen, die neu anfangen, wird geholfen. Es herrscht Verständnis dafür, wenn jemand feststellt, dass er diese Begleitung kein zweites Mal durchstehen könnte.

Denn die Betreuer erleben viel. Die Kranken und Behinderten sind in genau so einer Sondersituation wie sie selbst. Da gilt es, die richtige Balance zwischen Nähe und Abstand zu wahren. Man kann nicht alles Leid an sich heran lassen, so Simon. Und auch wenn es schön ist, wenn Menschen, die er betreut hat, den Kontakt zu ihm halten möchten, muss er Grenzen ziehen. Dazu gehört für ihn, die Mitreisenden, egal wie krank oder behindert sie sind, als ganz normale Menschen zu betrachten. Dazu gehört es, auch manchmal Nein zu sagen.

Was vielleicht manchem Unbeteiligten als engstirnig erscheinen mag, ist eine Handreichung, die der Malteser-Orden mitgibt. Die ist aber durchaus sinnvoll, um den Gedanken der Wallfahrt zu verstehen. Der Orden legt auch Wert auf die Beachtung einer gewissen Kleiderordnung. Weiße Kittel beim Dienst im Hospital, ansonsten die Herren in Anzug oder Kombination in gedecktem Ton, die Damen ebenfalls eher konservativ gekleidet. Das ergibt sich einfach aus Ehrerbietung für den Ort des Geschehens und dem Sinn der Fahrt, so Simon. Etwas davon ist übrigens auch in den vielen Fotos, die er gemacht hat, zu merken. Trotz der Menschenmengen strahlen sie Ruhe aus.

Während Simon noch an vergangene Fahrten erinnert, werden bei Irmgard Quack und Sohn Michael die Koffer gepackt. Der 50-jährige Michael sitzt seit seiner Geburt im Rollstuhl. Seine Mutter hat ihn gepflegt, später auch ihren Mann nach Schlaganfällen. Das waren Zeiten, die an ihren Kräften zehrten. Seit drei Jahren lebt Michael jetzt im Lebenshilfe-Haus in Süchteln. Der Leiter hatte die Idee, ob er nicht mit nach Lourdes fahren wolle. Ganz spontan sagt Irmgard Quack, dass sie das für sich selbst schon immer gewünscht habe. Noch ist sie ja skeptisch, ob alles gut geht, schließlich ist sie nicht mehr die Kräftigste. Aber alle haben sie beruhigt, dass gar nichts passieren könne. Sie befinde sich ja in guten Händen. Außerdem rät Simon allen Mitreisenden immer zu einer Reiseversicherung, damit im Ernstfall eine Rückkehr nach Deutschland unproblematisch ist. So freuen sie und Michael sich jetzt einfach nur noch auf die Abreise. Nach Jahren ist es das erste Mal, dass die beiden wieder gemeinsam reisen können. Donnerstag geht die achttägige Reise los.

(sr)
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