Nach Schließungen wegen Streiks Verdi: "Kreis muss Kitas übernehmen"

Kranenburg/Bedburg-Hau/Uedem · Die Vertreter der Gesellschafterversammlung der "Lebenshilfe gGmbH - Leben und Wohnen" fassten einstimmig den Beschluss, die Trägerschaft der vier Kitas abzugeben. Die Gewerkschaft sieht dann den Kreis Kleve in der Pflicht.

 Die Kita-Erzieherinnen bleiben im Streik: Heute soll in Nütterden eine weitere Notgruppe eingerichtet werden. Zudem wird ein weiteres Treffen zwischen Eltern, Erzieherinnen und Gewerkschaftsvertretern stattfinden.

Die Kita-Erzieherinnen bleiben im Streik: Heute soll in Nütterden eine weitere Notgruppe eingerichtet werden. Zudem wird ein weiteres Treffen zwischen Eltern, Erzieherinnen und Gewerkschaftsvertretern stattfinden.

Foto: Stade

Der Schuldige steht für die Verantwortlichen der "Lebenshilfe gGmbH - Leben und Wohnen" fest: Es ist die Gewerkschaft Verdi. Seit Wochen streiken die etwa 90 Erzieherinnen der vier integrativen Kindertagesstätten in Kranenburg (Lebensburg), Nütterden (Lebensquelle), Bedburg-Hau (Lebensbaum) und Uedem (Lebensgarten), um eine Angleichung der Entlohnung an den im Öffentlichen Dienst üblichen Tarifvertrag zu erreichen. Der Streik geht einher mit immer verzweifelter werdenden Eltern, die seit knapp vier Wochen sehen müssen, wie sie ihre Kinder versorgt bekommen.

Am Freitagabend hatten die Vertreter der Gesellschafterversammlung einstimmig beschlossen, die Trägerschaft der vier Kitas in andere Hände geben zu wollen. Geschäftsführer Hermann Emmers wurde dabei von Wolfgang Spreen, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung, mit einem besonderen Lob bedacht: "Wir sind dankbar, dass er uns in einer ganz schwierigen Zeit hervorragend vertreten hat." Geht es nach der Gesellschafterversammlung, will man die Kitas möglichst schnell los werden.

Aus Sicht von Verdi-Gewerkschaftssekretär Harald Hüskes sind die neuesten Entwicklungen in dem Tarif-Streit vor allem eins: "Ein Versuch, neue Drohkulissen aufzubauen und weiter auf Zeit zu spielen. Das ist eine Zermürbungstaktik. Es soll ein Keil zwischen Eltern und Erzieherinnen getrieben werden", sagt der Verhandlungsführer. Der Verdi-Sekretär vergleicht das Gebaren der Lebenshilfe in der Auseinandersetzung als ginge es hier um die der Schließung einer Burger King-Filiale.

"So geht das nicht. Es gibt Verträge, die eingehalten werden müssen. Zudem kann der Kreis sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Er muss dafür sorgen, dass ausreichend Kindergartenplätze vorhanden sind und im Zweifelsfall selbst die Kitas weiter betreiben, wenn sich kein Träger anbietet. Das gehört zu den staatlichen Aufgaben", sagt Hüskes. Dies könnte bedeuten, dass die Erzieherinnen, sollte der Kreis einspringen müssen, nach den Bedingungen des TVöD eingestellt werden. Hüskes hätte gegen einen neuen Träger keineswegs etwas einzuwenden: "Dann setzen wir uns an einen Tisch und versuchen zu vermitteln."

Günter Isemeyer, Pressesprecher Verdi-Landesbezirk NRW, nimmt die Ankündigungen kopfschüttelnd zur Kenntnis: "Man merkt, dass auf der anderen Seite in dieser Sache nicht viel Erfahrung vorhanden ist. An der Situation hat sich jedenfalls nichts geändert." Isemeyer kann die Begründung der Lebenshilfe, den Landesschlichter als ideologisch geprägt abzulehnen, ebenso nicht nachvollziehen wie den Hinweis, die Forderungen seien finanziell nicht zu stemmen. "Wir sprechen hier nicht von einer notleidenden Einrichtung. Die Lebenshilfe gGmbH hat zuletzt 200.000 Euro Gewinn gemacht und besitzt Rücklagen von 11,5 Millionen Euro. Der Arbeitgeber muss seiner Verantwortung den Beschäftigten gegenüber gerecht werden." In Sonntagsreden, so Isemeyer, würde das hohe Lied auf die Erzieherinnen angestimmt, wenn's dann aber ums Bezahlen gehe, sei davon nichts mehr zu spüren. "Der TVöD ist kein Teufelswerk", sagt der Verdi-Sprecher.

Ebenfalls zumindest leicht irritiert ist Kranenburgs Bürgermeister Günter Steins vom Vorgehen der Lebenshilfe. Ohne Vorankündigung musste er aus der Presse erfahren, dass über die Schließung der Kranenburger Kita Lebensburg nachgedacht werde. Erst nachdem Steins Geschäftsführer Emmers ein Schreiben mit der Bitte um Aufklärung zusandte, wurde das Ende der Kita mit Ablauf des Kindergartenjahres 2013/14 offiziell verkündet. Unter anderem durch einen von Emmers unterzeichneten Brief vom 30. Januar. Darin hatte der Geschäftsführer sinngemäß ausgeführt, die Gemeinde Kranenburg hätte einen Termin vorgegeben, bis zu dem über das Schicksal der Lebensburg hätte entschieden werden müssen.

Um für alle Beteiligten Planungssicherheit herzustellen, heißt es in dem Schreiben, sei die Entscheidung zur Schließung gefallen — aus wirtschaftlichen Gründen, bedingt durch eine unsichere Zukunftsprognose. Man werde die Kinder beim Übergang in die in Kranenburg entstehende Kindertagesstätte begleiten, so Emmers in seinem Schreiben weiter. Steins wusste bis gestern nichts davon, dass in Kranenburg eine neue Kita gebaut werden soll: "Die Ankündigung über die Schließung ohne vorgehende Information der Eltern hat für erheblichen Wirbel gesorgt und die Betroffenen unnötig verunsichert. Es gibt derzeit keine konkreten Pläne, eine neue Kita in Kranenburg zu bauen — wie Herr Emmers dies in seinem Schreiben an die Eltern darstellt."

Aus der Tarifauseinandersetzung will Steins sich heraushalten. "Mein Ziel ist es, dass verlässliche Kindergartenplätze in ausreichender Zahl in unserer Gemeinde angeboten werden", sagt der Bürgermeister. Erste Investoren hätten ihr Interesse an einer neuen Kita in Kranenburg signalisiert. Wer die Trägerschaft übernimmt, ist nicht geklärt, eine Elterninitiative ist nicht ausgeschlossen. Bis wann hier Fakten geschaffen sind, ist völlig offen. Fest stehen hingegen zwei Sachverhalte: dass der Streik heute weitergeht und wer die Verlierer der Auseinandersetzung sind — die Kinder und Eltern.

(RP)
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