Kleve Wie ein Rollstuhlfahrer seinen Führerschein macht

Kleve · Tobias Tripp macht seinen Führerschein. Eigentlich nichts Besonderes. Wenn der 29-Jährige nicht im Rollstuhl säße.

 Im großen Fahrschulauto ist eine Rampe eingebaut, über die Tobias Tripp (r.) mit dem Rollstuhl einsteigen kann.

Im großen Fahrschulauto ist eine Rampe eingebaut, über die Tobias Tripp (r.) mit dem Rollstuhl einsteigen kann.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Wenn Tobias Tripp ins Fahrschulauto einsteigt, muss er erstmal den Sitz einstellen. Ist ja schließlich nicht jeder gleich groß. Ein bisschen nach oben und nach vorn - perfekt. Dann wirft er einen Blick in den Rück- und die Seitenspiegel - die passen, findet er. Die Fahrstunde kann losgehen.

 Fahrstunden bekommt Tripp von Fahrlehrer Michael Lagarde (r.).

Fahrstunden bekommt Tripp von Fahrlehrer Michael Lagarde (r.).

Foto: Gottfried evers

Nichts Besonderes, sollte man meinen. Wenn Tobias Tripp nicht im Rollstuhl säße. In der M+R Mobility-Fahrschule von Michael Lagarde und Rainer Diedenhofen lernt der 29-Jährige Autofahren, so wie viele andere Menschen mit einer Behinderung. Der Führerschein bedeutet für Tobias Tripp Selbstständigkeit und Freiheit, "ich will nicht immer meine Familie fragen, ob sie mich fährt", sagt er.

Dass der junge Klever überhaupt mal so weit kommt, damit hatte bei seiner Geburt niemand gerechnet. "Die Ärzte haben mich als nicht lebensfähig eingestuft", erzählt Tripp. Seinen Eltern sei eigentlich keine Hoffnung gemacht worden - Tobias Tripp kam mit offenem Rücken und Kopf zur Welt. Doch der heute 29-Jährige kämpfte sich ins und durchs Leben. "Ich bin ehrgeizig", sagt er. Und das zeigt sich auch in den Fahrstunden. Schon vor einigen Jahren fragte Tobias Tripp bei Michael Lagarde nach, ob es eine Möglichkeit für Fahrstunden gibt. "Damals waren wir noch nicht so weit", sagt der Fahrlehrer. Und Fahrschulen, die Behinderte ausbilden, gibt es einfach nicht so viele. Aber Lagarde versprach, sich zu melden. Nachdem sich Michael Lagarde und Rainer Diedenhofen zusammengeschlossen hatten, waren die finanziellen Mittel da, um die Autos so umzurüsten, dass diese vom Tüv als Ausbildungsfahrzeuge zugelassen werden konnten. Ein echter Kraftakt. Umbauten für tausende von Euro. "Und die Bürokratie erst", sagt Lagarde, der dutzende Ordner voller Anträge zusammengesammelt hat.

Lagarde und sein Kollege sind spezialisiert auf Menschen mit Querschnitts- und einseitigen Lähmungen, auf Fahranfänger, denen einzelne Gliedmaßen fehlen oder solche, die eine Lernschwäche haben und auf Schlaganfallpatienten, die wieder mobil sein wollen. Aber auch gesunde Menschen lernen in den beiden Fahrschulen an der Sackstraße und am Schwanenkamp in Bedburg-Hau das Autofahren. "Wir betreiben Inklusion über die Fahrschule", sagt Diedenhofen.

Die Schüler haben die Möglichkeit, in einem Automatik-VW Passat zu üben, in dem ein orthopädischer Sitz eingebaut ist. Gas und Bremse werden per Hand bedient. "Wenn man den Hebel nach vorne drückt, bremst das Auto, wenn man ihn nach hinten zieht, gibt man Gas", erklärt Lagarde. Um ein sicheres Gefühl beim Lenken zu haben - weil sich immer nur eine Hand am Lenkrad befindet - ist ein Knauf dort befestigt. "Wir können aber auch ein Gaspedal einsetzen, dass mit dem linken Fuß bedient werden kann", sagt Lagarde. Für einseitig Gelähmte zum Beispiel.

In der M+R Mobility-Fahrzeugflotte gibt es auch einen kleinen Bus mit Rollstuhllift und Rückfahrkamera. Das Auto mag Tobias Tripp aber nicht so. Sein Favorit ist der VW. Unter anderem auch, weil seine Fahrlehrer über eine Neuanschaffung nachdenken und den Passat eventuell an Tripp weitergeben. Bedingung dafür: "Na, den Führerschein muss er auf jeden Fall bestehen", sagt Lagarde. Alles andere regeln die drei intern.

Seit einem guten Jahr ist der 29-Jährige jetzt in der Fahrschule angemeldet. "Allein bis alle Anträge und Gutachten da sind, dauert es neun Monate", sagt Diedenhofen. Fahrenlernen mit einer Behinderung geht eben nicht ohne jede Menge Papierkram.

Der Klever aber ist hoch motiviert, damit er bald allein durch die Stadt kurven kann. Und zu allen Heimspielen des FC Kleve. Bis dahin heißt es: üben, üben, üben. Und seinen Lehrern hat er auch schon die erste Tour versprochen: zur RehaCare nach Düsseldorf - eine Messe für Rehabilitation und Pflege.

(RP)
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