Kalkar-Wissel Wissel bastelt dem Erntedank entgegen

Kalkar-Wissel · Monatelang bereiten die Wisseler in jedem Jahr ihren unvergleichlichen Umzug entgegen. Da werden nicht nur Kürbisse, Getreide und Äpfel auf Wagen gepackt, es werden auch aufwendige Bilder geklebt und gesteckt.

Wenn von einer großen Anzahl "Zugnummern" die Rede ist, denkt der Niederrheiner gemeinhin an Karneval. In Wissel jedoch weiß jeder, dass es noch einen mindestens so schönen anderen Anlass gibt, prächtige Motivwagen hintereinander durch den Ort rollen zu lassen: Erntedank! Die Wisseler Erntedankgemeinschaft besteht seit 1971 und hat im Laufe der Jahre aus einer kleinen religiös motivierten Aktion ein echtes Volksfest entwickelt. Eines, das inzwischen richtig professionell daher kommt und dennoch seinen traditionellen Kern bewahrt hat. Am Wochenende 26./27. September wird das ganze Dorf auf den Beinen sein, um den Umzug zu bewundern.

Karl-Heinz van Holt ist Ehrenvorsitzender der Gemeinschaft und steckt gemeinsam mit dem neuen Vorsitzenden Hubert Peerenboom und Schriftführerin Margret Kröger längst mitten in den Vorbereitungen. Was mindestens so sehr auf all die Aktiven in den Wisseler Vereinen zutrifft, die eigene Wagen gestalten. "Wir haben etwa 25 Vereine im Koordinierungsausschuss", erklärt van Holt. Früher sei das ein loser Zusammenschluss gewesen, heute handelt es sich um einen echten Verein. "Das ist schon aus finanziellen und Versicherungsgründen nötig", ergänzt der Vorsitzende.

Streng genommen gab es einen Erntedankumzug im Dünendorf schon 1873. "So ist es urkundlich erwähnt, inklusive Tanz im Saal Lamers", berichtet van Holt. Damals sei es wohl insbesondere darum gegangen, sich bei den landwirtschaftlichen Mitarbeitern und Erntehelfern zu bedanken. Heute hingegen gibt es auf den Höfen außerhalb der Familien kaum mehr Personal - und natürlich auch nur noch wenige Vollerwerbsbetriebe. "Deshalb müssen wir eine ganze Menge Dinge dazu kaufen, die früher auf den Feldern und in den Bauerngärten wuchsen", sagt Margret Scholten, die derzeit intensiv am Wagen des Kirchenchors arbeitet.

Getreide, Zuckerrüben, Obst, Gemüse, ein paar Kürbisse - all das ist natürlich vorhanden. Aber die zum Stecken benötigten 10 000 Dahlien, die wachsen natürlich nicht alle in Wissel. Schon gar nicht die Kaffeebohnen, die die Kirchenchor-Sängerin derzeit zu Tausenden aufklebt.

Wenn es auch dank fortgeschrittener Technisierung im 21. Jahrhundert nur noch wenig landwirtschaftliches Personal gibt - gefeiert wird noch ebenso gerne. Zudem vermittelt das Erntedankgeschehen, in das ungezählte Wisseler einbezogen sind, auch ein Stück dörflicher Identität. In die nicht zuletzt die Neubürger hineinwachsen sollen.

"Wissel macht es den Neubürgern leicht, hier heimisch zu werden", meint Margret Scholten, die im Dorf geboren ist. Obwohl selbst "Ureinwohnerin", pflegt sie viele Kontakte zu Zugezogenen. Sie weiß, dass die "alten Wisseler" alleine den riesigen Umzug kaum mehr stemmen könnten. Es gibt sie zwar noch, die über 80-Jährigen, die noch aktiv mitmischen, aber Nachwuchs muss sein. Tatsächlich kommt der Umzug selbst bei den Jüngsten gut an: Kinder- und Jugendgruppen sind dabei, die Kitas aus Wissel und Grieth, dazu Familien und Straßengemeinschaften - alle haben Kinder dabei. Margret Scholten sagt: "Vielleicht ist das überhaupt das Schönste an unserem Umzug: dieses Gefühl, ich bin nicht zu alt und nicht zu jung, um dabei zu sein. Jeder gehört dazu."

"Der Wisseler Erntedankumzug ist mit seinen 1,5 Kilometern Länge der größte am Niederrhein", ist van Holt sicher. Vier Kilometer legen die Wagen und Fußgruppen zurück, ziehend durch die Straßen des Dorfs, zum Wisseler See und zurück zum Altenheim, wo es ein Platzkonzert gibt.

"Und nach dem Umzug ist Tanz im Zelt mit Rahmenprogramm", erzählt Erich Scholten, der seine Frau und alle anderen Akteure stets mit der Kamera begleitet. Zwei eigene Kapellen und fünf auswärtige beleben den Umzug und die anschließende Feier.

Wie sich das auf dem Land gehört, werden für die schönsten Blumengestecke, Äpfel und Kohlköpfe auch Preise vergeben. Auch die Kinder waren aufgerufen, etwas zu pflanzen und die Ergebnisse zu präsentieren.

(RP)
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