Krefeld Das Schicksal der Marianka Korpatsch

Krefeld · Die Roma-Frau, die Auschwitz überlebte und auf dem Hauptfriedhof begraben ist, stammt aus Hamburg. Wir sprachen mit ihrer Nichte über das Schicksal der Familie. Die Nichte sagt: "Es gibt immer noch Leute, die Zigeuner hassen."

Marianka Korpatsch: Ein Bild aus guten Tagen. Sie wurde wahrscheinlich 1943 mit ihrer ganzen Familie im Rahmen einer Deportationswelle nach Auschwitz gebracht, überlebte das Vernichtungslager und starb 1972 in Krefeld. Das Foto stellte uns ihre Familie zur Verfügung. Der Stock links neben ihr gehört zu ihrem Vater. Das Bild ist ein Ausschnitt aus einem Familienfoto. Auch ihr Vater war in Auschwitz inhaftiert. Er starb kurz nach der Befreiung des Todeslagers an den Folgen der Haft.

Marianka Korpatsch: Ein Bild aus guten Tagen. Sie wurde wahrscheinlich 1943 mit ihrer ganzen Familie im Rahmen einer Deportationswelle nach Auschwitz gebracht, überlebte das Vernichtungslager und starb 1972 in Krefeld. Das Foto stellte uns ihre Familie zur Verfügung. Der Stock links neben ihr gehört zu ihrem Vater. Das Bild ist ein Ausschnitt aus einem Familienfoto. Auch ihr Vater war in Auschwitz inhaftiert. Er starb kurz nach der Befreiung des Todeslagers an den Folgen der Haft.

Foto: Kor

Ihr Grab ist verwahrlost, der Grabstein aus Sicherheitsgründen umgelegt, und ob es erhalten wird, steht nicht fest: Marianka Korpatsch ist eine von den Nicht-Juden, die wie das jüdische Volk den Holocaust durchleiden musste und ihm knapp entkommen ist. Wie berichtet, kann die Nichte das Grab der Frau nicht mehr bezahlen. Die Stadt hat angekündigt, es nicht einzuebnen; dennoch bleibt die Frage, was damit geschieht. Wir sprachen mit Marianka Korpatschs Nichte über das Schicksal ihrer Familie - ihren Namen möchte die Nichte nicht genannt wissen. "Ich bin Zigeunerin, und es gibt immer noch Leute, die Zigeuner hassen", sagt die heute 68-jährige Frau. Sie hat ihre Erinnerungen nie aufgeschrieben - wir dokumentieren sie in Grundzügen.

Die Familie hat demnach in Hamburg gelebt, als der Nazi-Staat über sie herfiel. Die Familie Korpatsch stand fest auf eigenen Füßen - "mein Großvater war ein wohlhabender Mann". Vermutlich 1943 - das genaue Jahr weiß die Nichte nicht, die 1946 auf die Welt kam - wurde die Familie morgens abgeholt. "Die haben alle praktisch aus dem Bett geholt." Sachen einpacken ging nicht, berichtet die Nichte weiter. Es war eine große Familie: ihre Großeltern und deren sieben Kinder, teils mit Kindeskindern - für sie, die Nichte: vier Onkel, ihre Mutter und zwei Tanten.

Auf dem Bahnhof müssen sich beim Abtransport unbeschreibliche Szenen abgespielt haben. Die Familie wurde getrennt; willkürlich - es ging danach, ob in einem Zug noch Platz war oder nicht. So wurden die Großeltern, drei Onkel und zwei Tanten nach Auschwitz deportiert; die Mutter kam nach Ravensbrück, der vierte Onkel nach Dachau.

In Auschwitz wurden die Großmutter und eine von ihren Töchtern samt deren zwei Kinder sofort vergast; auch zwei der drei Onkel kamen ums Leben.

Der Großvater, ein Onkel und die Tante, die heute in Krefeld begraben ist - Marianka Korpatsch -, erlebten die Befreiung von Auschwitz durch die Sowjets am 27. Januar 1945. Der Großvater starb kurz danach an den Folgen der Haft. Es überlebte auch die Mutter unserer Zeugin in Ravensbrück sowie der vierte Onkel in Dachau.

"Meine Mutter musste in Ravensbrück Schiffe be- und entladen", berichtet unsere Zeitzeugin weiter; "dazu musste sie regelmäßig bis zum Bauch in Wasser stehen." (Dieser Alltag der Gefangenen im KZ Ravensbrück mit der mörderisch anstrengenden Arbeit an den Schiffen wird in dem Buch "Frauen in Konzentrationslagern" von Florian Rübener beschrieben). Wie viele der gefangenen Frauen litt die Mutter an "Phlegmone", einer Infektionserkrankung der Weichteile. Betroffen waren die Beine; in die eiternden Wunden wurden Bandagen gedrückt, damit die Frauen weiterarbeiten konnten. Zurück blieben große Narben. Ihre Mutter heiratete nach dem Krieg einen 13 Jahre älteren Mann, der ebenfalls Auschwitz überlebt hatte - "meine Mutter hat mir berichtet, dass mein Vater regelmäßig von Alpträumen geplagt war", erinnert sich unsere Zeugin. Ein Grund: Er musste als siebenjähriges Kind in Auschwitz mitansehen, wie KZ-Aufseher seiner Mutter seinen zwei Jahre alten Bruder wegnahmen und in ein Massengrab warfen - der Junge fieberte, lebte aber noch, bevor er dann lebendig begraben wurde. Der Vater überlebte Haft und Krieg nicht lange: Er starb 1951.

Marianka Korpatsch lebte bis 1972. Wie sie nach Krefeld kam, weiß die Nichte nicht - sie hat jedenfalls seit dem Tod der Tante das Grab bezahlt, bis 2012 die Gebühr für die Verlängerung fällig war - Geld, das die 68-Jährige nicht hat. Sie könnte auch nicht die fälligen Steinmetzarbeiten bezahlen: Der Grabstein ist aus Sicherheitsgründen umgelegt worden. Von direkten Verwandten in Krefeld, die Grabpflege und Kosten übernehmen könnten, weiß sie nichts.

(RP)
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