Krefeld Riesenjubel für den Barbier von Krefeld

Krefeld · Mit Ovationen im Stehen feierte das Publikum die Premiere der Rossini-Oper.

 Kleine Charakterkunde der Hauptfiguren fürs Publikum. Die Handlung von 1816 ist in die 1960er Jahre verlegt, die Sprache ist von heute.

Kleine Charakterkunde der Hauptfiguren fürs Publikum. Die Handlung von 1816 ist in die 1960er Jahre verlegt, die Sprache ist von heute.

Foto: Matthias Stutte

Der Barbier von Sevilla ist Friseur, Faktotum, fabelhafter Kerl. Findet Kobie van Rensburg. Der wiederum ist Sänger, Regisseur, technikverrückt und Rossini-Fan, und er hat dem Komponisten mit "Der Barbier von Sevilla" ein Bühnendenkmal gesetzt mit einer spektakulären Inszenierung. Seine High-Tech-Version hat das Premierenpublikum schon vor der Pause zu ersten "Bravo"-Rufen hingerissen, am Schluss standen die Zuschauer minutenlang, um zu applaudieren. Dieser "Barbier" ist eine Wuchtbrumme, die alle Sinne berauscht und überflutet. Auf der Bühne und im Orchestergarben passiert so viel, das kann man nicht alles mitbekommen. Macht aber nichts, denn jede Auswahl, die der Zuschauer für sich trifft, garantiert Vergnügen. Eine kleine, subjektive Auswahl:

Die Badewannen-Arie, bei der Sophie Witte im Schaumbad ihre Sehnsucht nach einem vermeintlich armen Schlucker in schönsten Tönen besingt. Sie weiß nicht, dass der in Wirklichkeit ein gut situierter Graf ist, und die Seifenblasen, die aus der Wanne aufsteigen, sind schmucke Symbole für diesen Trugschluss. Dann ist da der quietschbunte 60-er-Jahre-Schick den Stephen Koop, der die Bühne gemeinsam mit van Rensburg eingerichtet hat, und Kostümbildner Kristopher Kempf pflegen. Jedes Requisit bis zur Zeitung, die eine Beatles-Tournee ankündigt, ist stimmig. Es würde nicht verwundern, wenn Doris Day in Figaros Salon einen Termin für Wasserwelle hätte. Dazu die hochkonzentrierten Kulissenschieber, die alle Requisiten so positionieren, dass sie in die virtuelle Szenerie passen, die auf die Riesen-Leinwand projiziert wird. Natürlich die Musik, die wundervollen Stimmen, der forsche Herrenchor und die Niederrheinischen Sinfoniker, die mit so hörbar großer Lust Rossini spielen, jeder melodischen Wiederholung eine neue Farbe geben und enorme Wucht entfalten. Der mit Preisen dekorierte Gast Levy Sekgapane ist ein Erlebnis. Aber auch die Art, wie die Sänger mit der Filmkamera spielen: Andrew Nolen kann die abgrundtiefe Bosheit des Intriganten in einen Augenaufschlag legen, Hayk Déynian umwerfend mit den Augen rollen und seine gepflegte Bassstimme zu einem unfertigen Mezzosopran aufschwingen, um weibliche Allüren zu karikieren. Debra Hays Putzschwamm, James Park zupft sich verschmitzt den Soldatenschnurrbart, Alexander Betov und Shinyoung Yeo werfen staatstragende Blicke ins Publikum. Am 13. November hat die Alternativ-Besetzung Premiere.

(RP)
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