Krefeld Rudolf Brand - ein Theater-Star ist 80

Krefeld · In den bewegtesten Zeiten des Krefelder Nachkriegstheaters gehörte Rudolf Brand zu den herausragenden Figuren einer Avantgarde. Der große Mime übernahm auch Rollen im Tatort und in der Kultserie "Ein Herz und eine Seele".

 Superstar Gottfried John (Bösewicht in James Bond) und Rudolf Brand gemeinsam auf der Bühne im Theaterstück in Warten auf Godot.

Superstar Gottfried John (Bösewicht in James Bond) und Rudolf Brand gemeinsam auf der Bühne im Theaterstück in Warten auf Godot.

Foto: Rudolf Brass

Ganz in Familie, beinah heimlich, hat im Frühjahr ein Künstler seinen 80. Geburtstag gefeiert, der in den bewegtesten Zeiten des Krefelder Nachkriegstheaters zu den herausragenden Figuren einer Avantgarde gehörte, die diesen Namen wirklich verdiente. Rudolf Brand, geboren 1935 in Wiesbaden, erntete 1967 für seinen Baschmatschkin in Jean Cosmos' Bearbeitung von Gogols "Mantel" eine glänzende Kritik in der "Zeit", und von da an war mit ihm zu rechnen, wo immer Theater Grenzen überschritt und Neues wagte.

Begonnen hatte er seine Laufbahn als Lehrjunge bei der Post, er sollte ja was Solides lernen. Aber seine Großeltern, einerseits ganz bürgerliche Leute, ließen ihn andererseits auch die Luft in Theater- und Konzertsälen schnuppern. Und dann begab sich der junge Brand an die Staatliche Hochschule für Musik in Frankfurt, erzählte daheim, er wolle sich an der Trompete ausbilden lassen, schrieb sich tatsächlich aber in der Abteilung Schauspiel ein - der erste Schritt auf einem erfolgreichen Berufsweg und außerdem die Lebensstation, an der er seine spätere Frau Inge kennenlernte. Im Frankfurter "Theater am Turm" hatte er auch seine ersten Auftritte in großen Shakespeare-Rollen. Es folgten zwei Jahre am Stadttheater Würzburg, auch hier wieder mit Shakespeare und mit Brecht, einem Autor, dessen Herausforderungen Brand ebenfalls stets reizten.

Schon 1966 kam er dann nach Krefeld. Mit dem Versprechen, "ein ehrliches, zeit- und lebensnahes Theater zu machen", hatte gerade der erst 44-jährige Joachim Fontheim als damals jüngster Generalintendant Deutschlands die Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld und Mönchengladbach übernommen und ohne langes Zögern fast das gesamte Ensemble ausgetauscht. Unter den Neuen waren Rudolf Brand und Gottfried John und nicht zuletzt auch der blutjunge Krefelder Regisseur Hans Neuenfels, und die durften auch experimentieren - freilich auf einer Parallelschiene zum Hauptprogramm. Geprobt wurde nachts, und auch die Vorstellungen der jungen Garde gingen als "Nachtprogramme" in die Geschichte ein. In Handkes "Publikumsbeschimpfung" entzündeten Brand und John mit Karl-Friedrich Gerster und Ulrich Hass eine Fackel, die bis nach Paris leuchten sollte und in der Seidenstadt "strahlende erschöpfte Gesichter" hinterließ. "Man hat etwas erlebt, endlich, wie bei den Beatles, man war außer sich, und man war glücklich", jubelte die Kritik und sprach besonders den jungen Theatergängern aus dem Herzen. In Becketts "Warten auf Godot" zeigten Brand und John noch deutlicher, was für ein geniales Bühnenpaar sie waren. Der "Mantel" schließlich trug Brands Namen über den Niederrhein hinaus, und 1968 stand er als Schufterle in Schillers "Räubern" auf den Brettern des Deutschen Schauspielhauses Hamburg.

Sein Weg durch die Theater führte ihn weiter nach Wuppertal, Darmstadt, Mannheim, Düsseldorf, Wiesbaden, Bonn, Köln und Stuttgart sowie zu den Festspielen in Recklinghausen und Bad Hersfeld. Er spielte ernste Rollen wie Brechts Galileo und groteske wie den Mockinpott von Peter Weiss, war in den großen klassischen Rollen ebenso zuhause wie in zeitgenössischen Grenzgängen, zum Beispiel Thomas Bernhards "Der Theatermacher" und George Taboris "Mein Kampf". Eine ganz besondere Station war darüber hinaus das Theater an der Ruhr in Mülheim, mit dessen Gründer und Leiter Roberto Ciulli ihn eine enge Freundschaft verbindet und wo er unter anderem den Dr. Dorn in Tchechows "Möwe" und die Rollen Diabetes und Phidipides in Woody Allens "Gott" gab. Außerdem spielte er mit dem mörderischen Weichenwärter Osorsky in Peter Schulze-Rohrs dokumentarischen Spielfilm "Verdunkelung" (1976) eine ganz bemerkenswerte Filmrolle und war in TV-Serien wie "Ein Herz und eine Seele", "Die Bertinis" und einem Trimmel-Tatort zu sehen. Gern erinnert er sich auch an die Dreharbeiten zu "Die Pawlaks" in Prag. Die "goldene Stadt" besucht er heute noch gern.

Persönlich aber fanden Rudolf Brand und seine aus Frankfurt stammende Frau Inge, den Krefeldern unter anderem als Gründerin und langjährige Leiterin des Kinder- und Jugendtheaters Kresch ein Begriff, ihren Lebensmittelpunkt in der Seidenstadt am Niederrhein. "Als sich unsere Tochter ankündigte, fiel die Entscheidung: Hier wollen wir zuhause sein", erzählt Inge Brandt. "Und als sich uns auch noch die Möglichkeit bot, in einer Gemeinschaft von sieben Familien das heruntergekommene Buschhüterhaus ,Alte Post' wieder in seiner ursprünglichen Schönheit herzurichten und zu bewohnen, da war es endgültig um uns geschehen."

(RP)
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