Leverkusen John Rutter hat 700 Sänger im Griff

Leverkusen · Mit viel britischem Humor und noch mehr ausladenden Gesten leitete der berühmte englische Chormusikkomponist die Riesenprobe mit 700 Sängern. Die waren hochkonzentriert und begeistert.

Das Flugzeug aus England war überpünktlich, und so traf John Rutter am Samstag im Leverkusener Forum ein, während mehr als 700 Chorsänger unter Anleitung von Volker Hempfling noch ihre Stimmen für diesen besonderen Tag aufwärmten. Als der Gast in Begleitung von Veranstalter Michael Porr im Terrassensaal auftauchte, brach jubelnder Applaus los. Leverkusen begrüßte den wohl berühmtesten lebenden Chormusikkomponisten wie einen Popstar. Der verschaffte sich schnell einen Überblick, wo in diesem gigantischen Chor die einzelnen Stimmen sitzen: "Sopran? Alt? Tenor - oh thank you for coming..." Schon hatte er mit dem ersten Lacher die Anspannung gelöst, um gleich mit der ersten Motette zu beginnen. "Look at the world" - eines der leichteren von 16 Stücken, die für diesen Singing Day im Sonderdruck erschienen waren, und ein sehr bekanntes.

Die Chöre hatten sich vorbereitet, alle Teilnehmer waren motiviert und so diszipliniert wie es sich mancher Leiter für seine Proben wünschen würde. Kein Tuscheln, keine Privatgespräche, alle sogen begierig auf, was der Meister verbessert haben wollte oder zu den einzelnen Kompositionen erklärte, inklusive kleiner amüsanter Geschichten am Rande. Die Teilnehmer waren fasziniert von der Kombination aus Ernsthaftigkeit, englischem Humor und Understatement. Sein Schul-Deutsch sei "vergangen und vergessen", hatte Rutter anfangs bemerkt. Aber es war doch noch so präsent, dass er immer wieder zwischen Deutsch und Englisch wechselte, oft mitten im Satz. Wenn es um die Stimmung seiner Musik ging, verstand ihn ohnehin jeder. Die brachte er auch durch Haltung und Gestik rüber in seiner speziellen, sehr suggestiven Art zu dirigieren. Er halte nichts davon, den Takt zu schlagen wie ein Policeman, der den Verkehr regelt, und formte lieber endlose Linien und Schleifen mit den Armen, um den Sängern zu vermitteln, worauf es ihm ankommt: Weich schwingende, bruchlose Melodien, die sich in die Ohren schmiegen und direkt zu Herzen gehen.

Die sind schließlich das Erfolgsrezept für seine Werke. Dazu eine anspruchsvolle, harmonisch reiche, oft rhythmische Klavierbegleitung, die Michael Porr perfekt lieferte, was Rutter am Ende ausdrücklich bemerkte. Für sein eindrucksvolles Spiel zu "O clap your hands" hatte der ganze Saal spontan applaudiert. Rutter erklärte die Herausforderung im Klavier- beziehungsweise Orgelpart: Er hatte es für einen Kongress von Organisten komponiert, ahnend, dass die mehr auf die Begleitung als auf den Chor achten. Zwischen Singen und Proben beantwortete Rutter gängige Interviewfragen. Etwa, was zuerst da sei, die Musik oder der Text. Antwort: "The phonecall". Bei "Look at the world" jedenfalls war es so, da begann alles mit dem Anruf einer Umweltschutzorganisation. Jede Komposition hat ihre Vorgeschichte, entstand an einem sonnigen Ostertag, zum Gedenken an Fukushima, im Auftrag der Krebsforschung oder für den legendären Chor von King's College.

Michael Porr dankte dem Verein "Leverkusen ein starkes Stück Rheinland" und dem Sponsor Volksbank, die diesen Tag mit der Verleihung des Leverkusener Löwen an ihn Porr ermöglicht hatten. Mit dem Preisgeld für den Löwen finanzierte Porr diesen Singing Day. Davon erhoffe er sich eine Initialzündung für weitere verbindende große Chorprojekte in Leverkusen, betonte Porr..

(mkl)
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