Leverkusen Schockanrufe: Pfingstgemeinde stellt eine Kaution von 17 000 Euro

Leverkusen · Die Beweisaufnahme im Prozess gegen fünf Mitglieder einer stadtbekannten Großfamilie, die sich wegen bandenmäßigen Betrugs (Schockanrufe) vor dem Kölner Landgericht verantworten müssen, wurde gestern abgeschlossen.

Für eine Überraschung sorgte der Verteidiger eines Hauptangeklagten, als er eine Kaution in Höhe von 17 000 Euro erwähnte. Das Geld sei auf einem Unterkonto bei ihm eingegangenen. Damit will er eine Sicherheit für den Fall leisten, dass der Haftbefehl gegen seinen Mandanten aufgehoben werde.

Die Strategie: Der Haftbefehl soll aufgehoben werden. Sollte es zu einer Freiheitsstrafe kommen, solle die im offenen Verzug "verbüßt" werden. Die Herkunft des Geldes erscheint zumindest seltsam: Es stammt von der "Pfingstgemeinde", eine evangelische freikirchliche Gemeinde, wie der Verteidiger aufklärte. In der seien viele Freunde und Familienangehörige Mitglieder. Die Gemeinde habe es sich auch zur Aufgabe gemacht, bei Strafverfahren zu helfen.

Der zweite Hauptangeklagte hatte berichtet, dass er zeitweise auf 450-Euro-Basis bei der Kirche gearbeitet hat. Damit habe er einer "sinnvollen Tätigkeit" nach seiner letzten Verurteilung des Landgerichts Berlin nachgehen wollen. 2002 wurde er verurteilt - wegen Enkeltrick-Straftaten. Vor dem Kölner Landgericht geht es um eine Steigerung dieser Masche, um Schockanrufe.

Den von einigen Verteidigern angestrengten Versuch auf Hafterleichterungen - was nicht nur ihr gutes Recht, sondern sogar ihre Pflicht in einem rechtsstaatlichen Verfahren ist - wehrte die Staatsanwaltschaft rigoros ab. Zuletzt kamen zwei Bewährungshelfer zu Wort, die durch ihre Beschäftigung mit Mitgliedern der Großfamilie die Problematik aufzeigten. Auf der einen Seite empfindet sich die Familie stigmatisiert: Wenn nur der Familienname falle, wolle in Leverkusener keiner etwas mit ihnen zu tun haben. Auf der anderen Seite steht natürlich die Frage im Raum, wie es dazu im Laufe der letzten 30 Jahre kommen konnte.

Beide Sozialarbeiter, wobei einer seit 14 Jahren als Bewährungshelfer beim Landgericht immer wieder Mitglieder der Großfamilie betreute, sprach von einem Dilemma: Der Familienverbund sei stark: Es sei fast unmöglich, sich aus dem Milieu zu lösen. "Wegen der Stigmatisierung des Namens versuchen einige aber, ihre Chancen in anderen Städten zu suchen." Kleiner Hoffnungsschimmer: Einige jüngere Mitglieder der Familie versuchen, ihre Kinder regelmäßiger zum Besuch von Kindergärten und Schulen anzuhalten. Weil wohl auch sie erkannt haben, dass das die einzige Möglichkeit ist, irgendwann vielleicht einmal ein redliches Leben zu führen.

(sg-)
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