Meerbusch Drei versteckte Winkel in der Heimat

Meerbusch · Verborgen hinter Sträuchern und Wäldern: Wer die Ruine hinter dem Schloss Pesch, die alte Schleuse am Deich zwischen Büderich und Ilverich oder den Krausenbaum in Lank finden will, braucht Geduld und Abenteuerlust.

 Die Reste der Ruine hinter Schloss Pesch (l.) werden von Grün fast verschlungen. Besser zu sehen sind das Holzkreuz vor dem Krausenbaum (m.) und die Schleusenruine an der alten Pumpstation (r.).

Die Reste der Ruine hinter Schloss Pesch (l.) werden von Grün fast verschlungen. Besser zu sehen sind das Holzkreuz vor dem Krausenbaum (m.) und die Schleusenruine an der alten Pumpstation (r.).

Foto: Lea Böhling/Mike Kunze

Von Gerichten und Galgenvögeln - der Krausenbaum

Das Holzkreuz, das seit Ewigkeiten am Ortsausgang von Lank-Latum am Krausenbaum steht, beachtet kaum einer, der dort vorbei fährt. Dabei ranken sich um diesen Ort einige Legenden, die in fahlen Mondnächten auch für ein wenig Grusel sorgen können. Das Kreuz steht jedenfalls schon lange dort - auch wenn es erst kürzlich von der Werkgruppe des Heimatkreises Lank erneuert worden ist - es hat dem Krausen- oder Krusenbaum wohl seinen Namen gegeben. Was hinter dem Kreuz aber aussieht wie ein unscheinbarer Busch, ist in Wirklichkeit wohl der älteste Baum Meerbuschs. Die einzelnen Büsche sind nämlich Reste des einst mächtigen Stammes. Ursprünglich hat die Linde einen Umfang von mehr als acht Metern gehabt, heute stehen nur noch Reste der Außenwand, die optisch als einzelne Bäume wahrgenommen werden. Man hat das Alter daher auf etwa 650 Jahre geschätzt. Die Krone der Linde wurde 1936 von einem Wirbelsturm abgedreht und schlug Meter weiter Wurzeln.

Hinzu kommt, dass der Krause Baum an einer heute unscheinbaren aber früher bedeutenden Wegekreuzung liegt. Dort ging es von Nierst nach Lank und von Linn/Uerdingen in die südlichen Dörfer des Amtsbezirkes bis nach Neuss. Und der Volksmund sah an solchen Wegkreuzungen weit außerhalb der Siedlungen stets Hexen und Teufel am Werk. Wohl deshalb wurden dort schon früh ein Kreuz errichtet und eine Station der Fronleichnamsprozession gehalten.

Und weil Linden oft auch Gerichtsbäume waren, vermutet Addo Winkels dort auch einen Ort, an dem das Linner Schöffengericht getagt haben könnte - ungewöhnlich wäre das nicht. Der gedankliche Weg bis zur Richtstätte ist da nicht weit und eine gutgewachsene Linde könnte auch als Galgenbaum gedient haben. Für Bathasar Radmacher war der benachbarte Vorstenberg immer auch "der Galgenberg". Und weil in unmittelbarer Nähe Jahrhunderte lang auch die Grenze zur Freien Herrlichkeit Nierst, in der das Kloster Meer zu sagen hatte, verlief, soll hier nach Winkels um 1660 auch der Meerer Galgen gestanden haben.

Aber selbst wenn es nicht Gehängte sind, die in diesem unbeachteten Winkel durch mondklare Nächte spuken, sind es vielleicht die Geister der Gefallenen aus der Schlacht vom 12. März 1689 als französische und brandenburgisch-niederländische Truppen zwischen Uerdingen und Meer aufeinandertrafen. Die gefallenen Franzosen wurden dort zu hunderten angeblich von den Lanker Schützenbrüdern gegen den Befehl der Sieger in einem von drei Massengräbern bestattet, um einer Seuche vorzubeugen. Auch daran soll das mächtige Holzkreuz im Schatten des Krausen Baumes erinnern.

Versteckt sich eine Burgruine im Wald?

Ganz versteckt im Herrenbusch, unweit von Schloss Pesch, steht eine von der Natur fast verschlungene Ruine mitten im Wald. Nur wenige kennen den Stumpf aus Backstein, der unter dem dichten, grünen Blätterdach über einem unscheinbaren Geviert aus Trümmern aufragt und um den sich einige Legenden ranken.

Mancher glaubte in dem Backsteinhaufen die Trümmer der alten Burg Pesch auszumachen. Das feste Haus wurde 1583 im Truchseßischen Krieg völlig zerstört, aber von seinem Besitzer Emmerich Hurt von Schöneck wieder aufgebaut. Er starb dort 1615 an der Pest. Wahlweise waren es auch französische Revolutionstruppen, die am 6. April 1795 Pesch in Flammen aufgehen ließen. Erst Jahre später entstand zunächst das schmucke Haus Pesch und in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg das wuchtige Schloss, wie wir es heute kennen.

So mancher hat auch in Kindertagen im Umfeld der Ruine nach dem verwunschenen Gang gesucht, der zwischen Pesch und dem Haus Gripswald oder Haus Latum existiert haben soll. Während Erwachsene wissen, dass die Entfernungen für solch ein Bauwerk, das man praktisch jeder Burgruine in Deutschland andichtet, viel zu weit für mittelalterliche Baumeister gewesen sind, haben Kinder noch genügend Fantasie, um in dem von Gräben und Wasserläufen durchfurchten Gelände zu suchen. In seiner Abgeschiedenheit und im grünschimmernden Licht wirkt der Herrenbusch hier fast schon verzaubert.

Nüchtern betrachtet lässt sich das Ganze auch anders deuten: Ein alter Bauer erzählte einmal, dass hier einst ein Eiskeller gestanden habe, der im Zweiten Weltkrieg zerstört worden ist. Das passt sicher auch viel besser zu dem zweckmäßigen und kleinen Fundament und den doch recht modernen Backsteinen. Hier wurde im Winter Eis von den Teichen ringsum eingelagert und konnte bis in den Hochsommer im Schloss genutzt werden - Kühlschränke gab es ja erst nach dem Zweiten Weltkrieg allmählich in deutschen Küchen.

Ebenso wie die Legenden langsam verstummen, dürfte die geheimnisvolle Ruine schon bald Geschichte sein. Stück um Stück erobert die Natur den von Menschen geschaffenen Platz zurück und vor fast 20 Jahren hat ein vom Blitz getroffener Baumstamm den noch stehenden steinernen Pfeiler getroffen und vom Fundament gelöst. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis auch dieser Rest in sich zusammenfällt und der verborgene Winkel auch von Eingeweihten kaum mehr zu finden ist.

Eine Katastrophe schuf das Idyll am Rhein

Malerisch ist die Kulisse am Rhein zwischen Büderich und Ilverich, zwischen Deich und Rhein. Tausende Radler und Fußgänger betrachten das Idyll aus Mauerresten, Bäumen und dem Kolk, den viele für einen normalen Teich halten, ohne zu wissen, dass hier gleich mehrere Tragödien ihren Ursprung hatten.

Der Kolk kommt nicht von ungefähr, das Loch ist durch einen Rheinstrudel bei Hochwasser entstanden und hat sich am 15. Januar 1920 fast ein Dutzend Meter tief ins Erdreich gefressen und den letzten Deichbruch am Niederrhein herbeigeführt. Die Wassermassen fluteten Teile des heutigen Stadtgebietes, überspülten in kürzester Zeit von Stratum bis Strümp die Uerdinger und Xantener Straße und ergossen sich bis nach Linn. Damals fuhr auf dieser Strecke noch die Straßenbahnlinie M, deren Schienen teilweise unterspült wurden.

Dabei war die Steinbrücke mit der Schleuse - deren malerische Reste am Rhein eben noch zu sehen sind - schon seit langem als Gefahrenpunkt bekannt. Zum letzten aber eben nicht zum ersten Mal war der Rhein hier durchgebrochen.

Der Begriff Steinbrücke war bereits im 18. Jahrhundert bekannt und deutet darauf hin, dass hier schon vor über 250 Jahren eine Schleuse bestanden hat. Nach heutiger Kenntnis ist der Rhein hier im März 1740 zum ersten Mal durchgebrochen. Und weil das Wasser damals nur langsam bis nach Lank kam, wiegte man sich Jahrzehnte später in Sicherheit, als der Deich erneut brach.

Das war am 29. November 1770 um 14 Uhr. Die Lanker Bauern am Langenbruchsbach hörten die Glocken der nahen Kirche Sturm läuten und wussten, dass der Deich wieder gebrochen war und schätzen, dass sie noch 24 Stunden Zeit hätten, sich, ihre Habe und das Vieh in Sicherheit zu bringen. Vom Pächter des längst verschwundenen Issmer Hofes an der Pappelallee berichtet der Lanker Pfarrer Wilhelm Jacobs, dass der noch seelenruhig zu Abend aß, während das Wasser in dem alten Rheinarm rasant anstieg. Anschließend war es ihm schon nicht mehr möglich, seine Pferde über die kleine Brücke an der Hauptstraße auf den Alten Markt zu führen, er musste sich übers Feld ins höher gelegene Ilverich durchschlagen.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts machte man sich daran, die alten Sommerdeiche zu erneuern und dabei die Deichlücken zu schließen. Bisher hatte man sich damit begnügt zu verhindern, dass die Wassermassen ungebremst auf die Dörfer prallten. Jetzt aber wiegten sich die Menschen in Sicherheit. Umso verheerender wirkte sich der Deichbruch an der Steinbrücke diesmal aus. Das Wasser konnte nicht mehr abfließen und immer mehr drängten die Wassermassen nach. In ihrer Not befahl der Oberdeichinspektor Graf schließlich die Sprengung des Deiches am Krefelder Hafen, damit das Wasser, was an der Ilvericher Steinbrücke eindrang, auch wieder abfließen konnte.

Fast ein Jahrhundert lang wurde Hochwasser am Stand von 1920 gemessen, bis vor einem halben Jahrzehnt ein ganz neuer Deich gebaut wurde. An der kritischen Stelle der Steinbrücke wurde das Bollwerk 1920 bewusst zurückgenommen, so dass die Ruine dort seither als Kulisse für Erholungssuchende dient.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort