Erkrath Iris Bücker: Zehn Jahre auf Suche nach Arbeit

Erkrath · Eine ehemalige Chefsekretärin schildert ihr Leben mit Hartz IV und ihre vergeblichen Versuche, eine Arbeit zu finden. Mittlerweile schreibt sie Bücher im Selbstverlag: eines über ihre Suchttherapie.

Nahezu die Hälfte aller Bewohner im Kreis Mettmann, die auf staatliche Fürsorge angewiesen sind, bleiben vier Jahre und länger im so genannten "Hilfebezug". Iris Bücker gehört dazu. Seit zehn Jahren ist die 54-Jährige auf Arbeitssuche. Auf das Jobcenter in ihrer Heimatstadt ist sie nicht gut zu sprechen.

"Ich habe in zehn Jahren zwei Jobs angeboten gekriegt", sagt die ausgebildete Chefsekretärin, "einen in einem Call-Center in Wülfrath, den ich nicht annehmen konnte, weil ich auf einem Ohr von Kindheit an schwer hören kann. Und einen als Putzkraft für 400 Euro in Hamburg." Was sie sucht, ist eine Arbeit als einfache Büro- oder Schreibkraft. "Es lässt sich hier absolut nichts finden für eine Frau meines Alters", sagt sie. Unendlich viele Versuche hat sie schon aus eigener Initiative gemacht, erzählt sie. "Ich habe 300 Zettel im Industriegebiet verteilt, habe sie mit einem Kaffeestrip versehen und gehofft, dass jemand einen Kaffee lang Zeit hat, mit mir ein Bewerbungsgespräch zu führen", sagt sie.

Es gab eine Rückmeldung, ein Unternehmen wollte, dass sie für es auf Kundenfang geht. Das wollte sie nicht. "Ich habe mich sogar bei Bestattungsinstituten vorgestellt und hätte dort selbst Leichen gewaschen", sagt sie verzweifelt, "nur um aus Hartz IV rauszukommen." Dabei kommt es ihr weniger auf den Verdienst an, als darauf ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein. An das knappe Geld hat sie sich gewöhnt, in einem Tauschring bekommt sie, was sie dringend braucht. Sie hat sich an der Uni in Düsseldorf für Botengänge angeboten, bei Rewe als Fleischverkäuferin, wollte eine Umschulung zur Webmasterin machen. "Davon gibt es zu viele", lautete die Antwort der Arge.

Alle Versuche waren vergeblich. Auch beim Franziskus-Hospiz hat sie sich umgesehen, wollte ehrenamtlich helfen, doch dazu hätte sie zwei Seminare besuchen müssen. Kosten: 40 Euro pro Stück. "Das Jobcenter wollte nicht zahlen, weil es nur um ein Ehrenamt geht und ich dadurch nicht wieder in Arbeit gekommen wäre", berichtet sie frustriert.

Ob es daran liegt, dass Bücker aus ihrer Vergangenheit keinen Hehl macht, weiß sie nicht. "Ich bin trockene Alkoholikerin", sagt sie. Ein schweres Schicksal habe sie schon als Kind mit Schnaps bekannt gemacht. Seit zehn Jahren ist Alkohol für sie tabu, wenngleich das nach all diesen Enttäuschungen manchmal schwerfällt. Derzeit versucht sie mehr schlecht als recht, mit 765 Euro über die Runden zu kommen. Davon gehen 425 Euro Miete, 50 Euro Strom, 20 Euro Hausratsversicherung und 15 Euro Rückzahlung ans Jobcenter ab. Letzteres, weil sie mal acht Wochen einen Bus voller Bräute für eine Casting-Show durch die Gegend gefahren hat. "Voraussetzung für den Job war es, dass ich meine Zähne richten ließ. Das habe ich gemacht, jetzt muss ich 900 Euro in kleinsten Raten zurückzahlen", erzählt sie. Die Arbeit habe sie dem Jobcenter natürlich gemeldet.

Mittlerweile ist ihre Hoffnung auf Arbeit geschrumpft — zumal sie durch eine Behinderung nur drei Stunden am Tag arbeiten darf. Dabei ist die Wahl-Erkratherin kreativ und unverdrossen. "Meine Therapie ist das Schreiben", sagt sie und berichtet im Selbstverlag über ihre Suchttherapie: "Trocken wie die Sahara" heißt ihr Buch.

(RP)
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