Mönchengladbach Antikes Theater an der Wiege der Demokratie

Mönchengladbach · Zurück an den Beginn des Rechtsstaats will Matthias Gehrt mit der "Orestie" des Aischylos führen. Der Text ist auf drei Stunden gekürzt.

 Schauspieldirektor Matthias Gehrt inszeniert die "Orestie".

Schauspieldirektor Matthias Gehrt inszeniert die "Orestie".

Foto: Matthias Stutte

In einer Woche ist die Premiere der "Orestie". "Es ist der Urtext des abendländischen Theaters überhaupt", sagt Schauspieldirektor Matthias Gehrt in einer Stimmlage, die gleichermaßen Gestaltungswillen und Ehrfurcht verrät. Vor mehr als 2500 Jahren, genau im Jahr 458 vor der Zeitrechnung, ist die von Schuld, Rache und Sühne sprechende Tragödie im Dionysos-Theater zu Athen uraufgeführt worden.

Und jetzt bringen Gehrt, die Bühnenbildnerin Gabriele Trinczek und Sibylle Gädeke (Kostüme) das Riesen-Opus auf die Bühne des Rheydter Theaterhauses. Ein Unterfangen in einer Größenordnung, die Gehrt bereits mit Goethes "Faust" erfolgreich vorexerziert hat. Da riskierte er, das Monument in beiden Teilen auf eine Gesamtspieldauer von dreieinhalb Stunden zu komprimieren. "Diesmal haben wir die eigentlich erforderlichen neun Stunden für die Aufführung auf drei reduziert", informiert Gehrt. Die meisten Theatergänger werden das begrüßen. "Wir versuchen die Geschichte in ihren Grundbausteinen zu erzählen", sagt Gehrt. Der Schauspieldirektor hatte vor zwei Jahren am Theater mit "König Ödipus" von Sophokles bereits ein anderes großes Drama der Antike in Szene gesetzt. "Die dabei gewonnenen Erfahrungen spielen durchaus in die neue Arbeit hinein", gibt er zu.

Die Handlung in Kurzform: Der Feldherr Agamemnon kehrt nach zehn Jahren siegreich aus dem gewonnenen Troja-Feldzug zurück nach Argos. Seine Ehefrau Klytaimestra erwartet ihn rachsüchtig. Hatte Agamemnon doch, um günstige Winde für die Ausfahrt aus dem heimatlichen Hafen von den Göttern zu erhalten, seine und Klytaimestras Tochter Iphigenie als Opfergabe getötet. Nun erschlägt Klytaimestra den Gatten, worauf die Spirale der Blutrache sich weiterdreht: Beider Sohn Orestes rächt den Vater, indem er seine Mutter tötet. Und nun wäre er nach der Vergeltungs-Logik als nächstes Opfer an der Reihe.

Doch hier hakt Aischylos ein und lässt die Göttin Athene auf den Plan treten. Sie fällt nicht selbst nach Götterart das Urteil, sondern fordert die Bürger der Polis Athen auf, in einem Gerichtsverfahren den Mordfall zu beurteilen. Am Ende lassen sich die grimmigen Erinnyen durch Argumente umstimmen, sie wandeln sich zu "Eumeniden", den "Wohlwollenden".

"Zum ersten Mal in der Theatergeschichte wird hier Rechtsstaatlichkeit auf der Bühne verhandelt", sagt Matthias Gehrt. Ihn interessiere an dem Dreiteiler ("Agamemnon", "Choephoren", "Eumeniden") vor allem der "lange Entwicklungsweg" hin zu dem überraschenden, versöhnlichen Schluss.

Gehrts Inszenierung fußt auf der Übersetzung von Peter Stein, die weitgehend die schwer verständlichen Textelemente der Tragödie ausgemustert hat. "Es ist auch eine schauspielerfreundliche Übersetzung", erläutert Dramaturg Martin Vöhringer. Wichtig sei, dass die Zuschauer immer wissen, wovon die Protagonisten gerade reden.

Das Stück lebt über weite Strecken des Textes vom Chor, dem eigentlichen Hauptdarsteller. Dieser Chor tritt in wechselnder Besetzung auf, wobei auch die Träger von Solistenrollen immer wieder in die Chorgruppe integriert werden.

Die Bühne hat Gabriele Trinczek gestaltet, aber Details dazu mag sie vorab nicht verraten. Nur so viel: Die Funktion der antiken "Orchestra" wird in einer Plattform aufgenommen, die bis in den Zuschauerraum hineingebaut worden ist. Daher stehen nicht mehr alle Sitzplätze zur Verfügung.

In den Hauptrollen treten auf: Eva Spott (Klytaimestra), Joachim Henschke (Agamemnon), Helen Wendt (Kassandra), Bruno Winzen (Aigisthos), Cornelius Gebert (Orestes), Nele Jung (Elektra).

(RP)
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