Mönchengladbach Aus einer Kriegsgefangenschaft wurde eine Freundschaft

Mönchengladbach · Die Schwester des Autors kaufte bei Juden ein. Sein Schwager lernte bei seiner Arbeit einen französischen Zwangsarbeiter kennen.

Mönchengladbach: Aus einer Kriegsgefangenschaft wurde eine Freundschaft
Foto: Theo Lücke

Gegen Kriegsende bekam ich, geboren 1929, meine Einberufung. Meine Mutter fand einen Arzt, der meinen Gesundheitszustand für so schlecht befunden hat, dass ich verschont blieb. Einige meiner Klassenkameraden sind so noch in den letzten Kriegstagen mit 16 Jahren gefallen.

 In der Klasse der Schwester des Autors war in der Nazizeit die Politik deutlich sichtbar. Dennoch kauften seine Schwester und seine Mutter bei Juden ein.

In der Klasse der Schwester des Autors war in der Nazizeit die Politik deutlich sichtbar. Dennoch kauften seine Schwester und seine Mutter bei Juden ein.

Foto: Lücke

Max Thiemer, der Mann meiner Schwester Inge, bekam 1972 wieder Kontakt mit einem Franzosen, der als Kriegsgefangener zur Zwangsarbeit bei der Firma Schorch verpflichtet wurde. Max Thiemer arbeitete bei Schorch und war unabkömmlich für die Firma. Er freundete sich an mit Georges Roland, lieh ihm seine Kamera und brachte sich selbst dadurch in Gefahr. 1975 fuhren meine Schwester, mein Schwager und ich mit meiner Familie an die französische Atlantikküste und besuchten auf dem Heimweg in St. Nasaire den befreundeten Franzosen. Er zeigte uns seine Heimatstadt, unter anderem den ehemaligen deutschen U-Boot-Bunker. Alle sind inzwischen verstorben, bis auf die Ehefrau von Georges Roland, mit der ich bis heute noch Kontakt habe. Sie ist 96 Jahre alt.

In alten Fotoalben meiner Schwester fand ich ein Bild, an dessen Augenblick der Aufnahme sie sich noch sehr gut erinnern konnte. Als dieses Foto von ihr und meiner Mutter gemacht wurde, in Mönchengladbach beim Einkaufen, da hatte sie schreckliche Angst. Immer wieder wurden Leute aufgenommen, die in den Geschäften der Juden einkauften. Es war die Zeit nach der "Reichskristallnacht". Meine Schwester Inge bekam einen Bezugsschein für ein Paar Schuhe. Es gab aber nur Herrenschuhe, die vier Nummern zu groß waren. Sie stopfte Zeitungspapier hinein. Den Bezugsschein besorgte ihr Chef, weil sie bei Schnee mit Sandalen ins Büro kam.

Ich besitze noch ein kleines Stück der Brandbombe, die unser Haus an der Lambertsstraße getroffen hat und kann heute noch die Brandflecken auf meinem alten Eichenschrank im Wohnzimmer sehen, die die Bombe dort damals hinterlassen hat.

(RP)
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