Mönchengladbach Betroffener: Autisten sind ähnlich wie Inseln

Mönchengladbach · Peter Schmidt berichtete bei einer Fachtagung in der Marienschule über sein Leben als Autist.

 Dr. Peter Schmidt berichtete bei der Tagung über sein Asperger-Syndrom.

Dr. Peter Schmidt berichtete bei der Tagung über sein Asperger-Syndrom.

Foto: Andreas Baum

Peter Schmidt ist ein guter Erzähler. Ihm gelingt spielend, seinen Zuhörern klar zu machen, was Autismus ist und was ein Autist fühlt oder nicht. Der Geophysiker hielt den Einführungsvortrag bei der 2. Mönchengladbacher Autismus-Fachtagung vor einer voll besetzten Aula in der Bischöflichen Marienschule.

Peter Schmidt erfuhr erst mit 41 Jahren, dass er Autist ist. Mit der Diagnose wurde ihm klar, warum er sich immer anders gefühlt und verhalten hatte als die Menschen um ihn herum. "Autisten sind wie Inseln", stellt Schmidt in seinem Vortrag fest. Die Inseln seien aber sehr unterschiedlich. "Ihre einzige Gemeinsamkeit ist ihre Eigenschaft als Insel, als ein Stück Land, das vollständig von Wasser umgeben ist." Seine Probleme mit Kommunikation macht er anhand von Farbspektren und Schwarzweißbildern klar. "Das farbige Spektrum zwischenmenschlicher Kommunikation erlebe ich in Schwarz-Weiß", erklärt er. "Ich erkenne die Emotionen der Anderen nicht, nicht Angst, Wut oder Verzweiflung. Das muss man mir sagen."

Anschaulich beschreibt er seine Schulzeit, in der er das Glück hatte, auf einen Lehrer zu treffen, der seine hohe Begabung erkannte und ihn mit seinen Ritualen meist gewähren ließ. Einmal jedoch nahm er ihm das Matchboxauto weg, das Schmidt stets unter dem Pult hatte. "Die anderen Schüler hatten irgendwann angefangen, auch Autos mitzubringen und damit auf dem Pult zu spielen", erzählt er. "Daraufhin wurde das Mitbringen von Autos verboten und auch mir mein Auto weggenommen. Ich war danach wie blockiert. Sonst war ich im Kopfrechnen immer einer der Besten, jetzt ging gar nichts mehr."

Im Allgemeinen aber war der Unterricht für ihn erholsam, weil strukturiert und ruhig, die Pause dagegen anstrengend, weil laut, chaotisch und mit sozialen Kontakten verbunden. Pläne, Checklisten und Regeln, die er sich selbst gab, brachten die Ordnung, die er brauchte, in sein Leben. In Schwierigkeiten brachte ihn immer wieder eine andere Eigenschaft von Autisten: das wörtliche Verstehen von Redewendungen. "Wenn jemand sagte, ,du musst dich durchbeißen', dann habe ich auch gebissen, wenn man mich geärgert hat", erzählt Schmidt.

"Ich brauche klare Kommunikation, um zu verstehen, was man von mir will", sagt er. Das gelte auch in der Partnerschaft. Sehr humorvoll beschreibt er seine Versuche, Frauen kennenzulernen. Schließlich habe er sich Spielfilme wie "Die Dornenvögel" oder "Vom Winde verweht" angesehen. "Da gab es viele Sonnenuntergänge und plätscherndes Wasser", sagt er. So entwickelte er eine Strategie: Erinnerungen schenken. Das funktionierte. "Ich habe gemerkt, da ist einer ganz, ganz komisch, aber sehr interessant und unheimlich bemüht", erzählt seine Frau lachend. "Ich hatte noch nie so viele Sonnenuntergänge gesehen." Die Basis ihrer Beziehung sei glasklare Kommunikation. "Er merkt einfach nicht, wenn ich schmolle."

Eigenschaften von Autisten können für die Gemeinschaft positiv sein. Schmidt: "Während des Studiums mussten wir Geophone verteilen. Dabei war ich ziemlich langsam, die Gruppe ärgerte sich. Als ich aber die Beifahrerfunktion übernahm und die Strecken zusammenstellen konnte, haben wir statt zehn Stunden nur noch vier gebraucht. Da war ich plötzlich sehr beliebt."

(arie)
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