Mönchengladbach Friseure schneiden nur beim Geld schlecht ab

Mönchengladbach · Lange Arbeitstage, großer Konkurrenzkampf: Das Friseur-Handwerk hat Probleme, Nachwuchs zu finden. Dies kann auch an den 423 Euro netto liegen, mit denen Auszubildende auskommen müssen. Wie klappt das?

 Annica Schäfer ist es im Beruf wichtiger, dass sie Spaß bei der Arbeit hat, als viel Geld zu verdienen. Die Ausbildung zur Friseurin war ihre erste Wahl. "Das wollte ich schon immer machen", sagt die 18-Jährige.

Annica Schäfer ist es im Beruf wichtiger, dass sie Spaß bei der Arbeit hat, als viel Geld zu verdienen. Die Ausbildung zur Friseurin war ihre erste Wahl. "Das wollte ich schon immer machen", sagt die 18-Jährige.

Foto: Jörg Knappe

Wenn man Annica Schäfer auf ihren Ausbildungsberuf mit "Friseuse" anspricht, dann runzelt die 18-Jährige die Stirn, schüttelt den Kopf und sagt: "Ich bin Friseurin. Friseuse sagen nur noch die alten Leute."

Friseurin, das ist für Annica Schäfer ein absoluter Traumberuf. Die Jüchenerin ist im zweiten Lehrjahr im Salon Hemmelrath in Mönchengladbach-Rheydt angestellt. "Meine Mutter war schon Friseurin, und es hat mir damals immer Spaß gemacht, ihr bei der Arbeit zuzusehen", erinnert sich die junge Frau. Ihre ersten Schnitte machte sie im Alter von vier Jahren: "Da waren die Haare meiner Schwester dran. Ihr hat es gefallen, meiner Mutter weniger", sagt Annica Schäfer.

Wie eine ausgelernte Friseurin arbeitet die 18-Jährige 39,5 Stunden in der Woche in dem Geschäft in der Rheydter Fußgängerzone. Ihre Woche beginnt am Montagmorgen um 9 Uhr. Da sie bereits im zweiten Lehrjahr ist, darf sie Kunden frisieren und deren Haare färben. Einmal in der Woche geht sie zur Berufsschule. Freitags hat sie frei, dafür muss sie samstags wieder von 8 bis 14 Uhr ran.

Viel Zeit für Freunde und Familie bleibt dann am Wochenende nicht. Finanziell kann die junge Frau aber ohnehin keine großen Sprünge machen. Sie verdient 555 Euro brutto im Monat. Netto bleiben ihr etwa 423 Euro zum Leben. "Das ist wirklich nicht viel, aber da ich noch zu Hause wohne, zahle ich ja auch keine Miete. Außerdem bin ich ein Sparfuchs", sagt sie. Wert auf teure Kleidung legt Annica Schäfer zum Glück nicht. Das Geld gibt sie für Kino-Besuche oder Abende mit Freunden in der Stadt aus. Trotz ihres geringen Gehalts beteiligt sich die 18-Jährige zudem an der Haushaltskasse ihres Vaters. Das Einstiegsgehalt nach der Ausbildung liegt bei rund 1530 Euro brutto. Ob sie damit ihren Lebensunterhalt finanzieren kann? Annica Schäfer seufzt, atmet tief durch und sagt: "Dann ziehe ich eben nicht in eine 5-Zimmer-Wohnung. Das brauche ich ja auch gar nicht." Viel wichtiger als Geld ist ihr die Tatsache, dass sie Spaß an ihrem Beruf hat, sagt sie selbstsicher.

Der Inhaber des Geschäfts, Peter Hemmelrath, hat es nicht leicht mit der Suche nach geeigneten Azubis. Neben fachlichen Fähigkeiten sind laut dem 56-jährigen Friseurmeister vor allem auch soziale Kompetenz und eine gute Erziehung wichtig - und das suche er weitestgehend vergeblich bei vielen Schulabsolventen. "Da fehlen die einfachsten Kompetenzen. Vor 30 Jahren war das anders. Da war es noch selbstverständlich, dass man einer Frau mit Kinderwagen die Türe aufhält - heute macht das kaum jemand", klagt Hemmelrath.

Die geringen Verdienstmöglichkeiten will der Friseurmeister als Grund für den Mangel an geeigneten Bewerbern nicht gelten lassen. "Viele vergessen, dass man am Ende des Monats 400 bis 600 Euro Trinkgeld bekommt. Rechnet man das auf den Verdienst drauf, ist das gar nicht so wenig", sagt er und schüttelt den Kopf.

Auch der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Stefan Bresser, sieht bei den Bewerbern zahlreiche Mängel: "Die Quantität und die Qualität hat im Gegensatz zu früher tatsächlich stark abgenommen", sagt Bresser. Dies sieht er aber unter anderem darin begründet, dass vor rund 20 Jahren viel mehr junge Menschen eine Ausbildung dem Studium vorgezogen haben und dementsprechend mehr Bewerber mit guten Leistungen um eine Anstellung buhlten. "Die Bewerber hatten damals einfach ein höheres Niveau." In Mönchengladbach befinden sich aktuell 71 Männer und Frauen in der Ausbildung zum Friseur oder zur Friseurin.

Hemmelrath stellt in seinem Salon nur Azubis ein, die vorher bei ihm ein Praktikum absolviert haben. So fand auch Annica Schäfer den Weg in Hemmelraths Salon. Sie habe zwar schon immer gewusst, dass sie gerne Friseurin werden wollte, hatte sich jedoch nur in unmittelbarer Nähe zu ihrem Wohnort Jüchen beworben - ohne Erfolg. Über eine Förderungsmaßnahme kam sie nach ihrem Realschulabschluss als Praktikantin in den Laden von Hemmelrath.

Während ihrer Ausbildung lernt die 18-Jährige das Friseurhandwerk von der Pike auf kennen. Dazu gehören vor allem die klassischen Dienstleistungen wie Waschen, Schneiden, Föhnen und die Dauerwelle. Am liebsten aber schneidet Annica Schäfer Haare. "Da hat man immer wieder was Neues, weil jeder Kunde andere Wünsche hat", sagt sie.

Nach ihrer Ausbildung will sie weiter als Friseurin arbeiten. Einen eigenen Salon zu eröffnen ist für die 18-Jährige keine Option. "Das wäre mir ehrlich gesagt zu viel Verantwortung", sagt sie ein wenig zögerlich. Stattdessen kann sie sich vorstellen, sich in dem Berufsfeld weiterzubilden: "Zur Maskenbildnerin oder Visagistin. Das würde mir sicher auch Spaß machen."

Bis dahin schneidet, föhnt und färbt sie weiterhin die Haare der Salon-Besucher. Ihre erste richtige Kundin war übrigens wieder ihre Schwester. Dieses Mal war auch ihre Mutter mit dem Ergebnis zufrieden.

(skr)
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